Feuersteins letzte Reise

Der Komiker Herbert Feuerstein verabschiedete sich kürzlich von der Welt. Die Nachrufe, die zu seinem Tod erscheinen, hat er sicherheitshalber selbst verfasst. So gibt er allen noch einmal mit, für was er steht: Er ist eine deutsche Legende und hat deutsche Comedy-Geschichte geschrieben.

„lechz“ (1973), „würg“, „stöhn“ und „hechel“ (1974) – das sind Wörter, die es in den deutschen Sprachgebraucht geschafft haben dank Feuerstein. Mit 83 Jahren ist der begnadete Komiker, Kabarettist, Musiker und Journalist am 06. Oktober 2020 gestorben. Statt sich die Nachrufe von Redakteuren schreiben zu lassen, hatte der ehemalige Journalist vorgesorgt: er schrieb im Jahr 2015 seinen eigenen Nachruf im Radio für WDR 5 und nahm eine Videodiskussion mit Harald Schmidt, Bastian Pastewka und Anke Engelke auf. Diese sollten erst nach seinem Tod veröffentlicht werden. Bei der Aufnahme zu seinem Nachruf hört man ihn murmeln „Zu gerne hätte ich das Sendedatum gewusst“, und dann am Schluss. „Na ja, vielleicht auch lieber nicht.“

Feuerstein wurde im Jahr 1937 in Zell am See in Österreich geboren, machte 1956 das Abitur und studierte dann im Mozarteum in Salzburg Klavier, Cembalo und Komposition. Nebenbei arbeitete er als Journalist für die Zeitschrift „Linzer Volksblatt“. Als er jedoch in einem Artikel den Hochschulpräsidenten kritisierte, wurde ihm nahegelegt, die Musikhochschule zu verlassen.

Danach verliebte er sich in einer US-Amerikanerin aus Hawaii und folgte ihr nach New York, wo er für die Zeitschrift deutschsprachige New Yorker Staats-Zeitung arbeitete. Am 20. November 1960 heiratete er seine Freundin und arbeitete als Pressereferent im Österreichischen Generalkonsulat. Zudem schrieb er für die Zeitschrift „Pardon“ und veröffentlichte das Buch „New York für Anfänger“.

Doch was Feuersteins Talent entsprach, sollte er dann bei seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1969 machen: die Menschen zum Lachen bringen. Seinen trockenen Humor bescherte den Deutschen rund „eine Milliarde Lacher“. 20 Jahre lang war er Chefredakteur der deutschen Ausgabe der Satirezeitschrift MAD und verkaufte eine Auflage von 50 Millionen Heften und fünf Millionen Bücher.

1990 entwickelte er das Konzept zur Show „Schmidteinander“ in der ARD, in welcher sich Harald Schmidt und Feuerstein regelmäßig aufzogen. Das machte unglaublichen Spaß, die Zuschauer liebten die Unbeschwertheit und Spitzzüngigkeit der beiden. Feuersteins Anarchismus traf genau den Geschmack seines Publikums. So ließ er sich mit Sätzen wie „Auch Behinderte haben ein Recht darauf, verarscht zu werden,“ zitieren. Dirty Harry (Harald Schmidt) hingegen spielte den Unmoralischen auf einer anderen Klaviatur. Feuerstein war ein genialer Beobachter der Gesellschaft und kokettierte mit seinem ausdruckslosen, bebrillten Gesicht.

Dem Duo gelang es, sich einen Kultstatus zu erarbeiten, indem Harald Schmidt Feuerstein oft durch den Kakao zog. Co-Moderator und Chefautor Feuerstein wurde somit zum Mitbegründer der deutschen Late-Night-Show. Die Nacht hat er dabei sogar mehrmals durchgefeiert und 12 Stunden am Stück eine Live-Sendung moderiert. „Feuersteins Nacht“ ging 1997 zum ersten Mal auf Sendung. Er kommentierte seinen TV-Marathon im September 1997 so: „Ob du jetzt zwölf Stunden einzeln machst, verteilt über mehrere Wochen oder zwölf hintereinander, ist ja egal. Ich hab mir ausgerechnet: Ich bin jetzt 60 Jahre alt und habe 43.800 Mal 12-Stunden-Perioden hinter mich gebracht. Da kommt es doch auf eine mehr auch nicht an.“

Von 1995 bis 1998 unternahm er Weltreisen und war im TV mit der Sendung „Feuersteins Reisen“ zu sehen.  Feuerstein trat auch in mehreren Filmen im Fernsehen und Kino auf. 2001 war er in „Der Schuh des Manitu“ von Michael „Bully“ Herbig und in „Vollidiot“ von Tobi Baumann zu sehen.

2007 trafen sich die beiden Komiker Schmidt und Feuerstein für das WDR zum 70. Geburtstag von Feuersteins wieder: auf einem Schiff auf dem Rhein für eine einstündige Dokumentation. Die beiden stritten leidenschaftlich und die Zuschauer spürten, dass in der gespielten Abneigung eine tiefe Verbundenheit herrscht.

Das Feuerstein nicht nur anarchischen Quatsch machen kann, sondern auch als Musiker ernst zu nehmen ist, hat er bewiesen, indem er im Mozartjahr mit verschiedenen Orchestern spielte,  wie zum Beispiel über zwanzig Mal für den Musikkrimi „MozartMordNacht“ auf der Bühne stand.

Doch auch im Rentenalter setzte sich Feuerstein nicht zur Ruhe und war noch bis 2011 mit der Sat.1-Serie „Genial Daneben“ zu sehen, wo er immer herrlich unverkrampft und anstößig war. Das wurde mit mehreren Auszeichnungen belohnt: den Bambi, den Grimme-Preis sowie den Deutschen Comedypreis.

Im Jahr 2014 verfasste Feuerstein seine Autobiografie mit dem Titel „Die neun Leben des Herrn F.“, wo er seine Lebensstationen sehr witzig nacherzählt. Danach zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und lebte in der Nähe von Köln mit seiner dritten Ehefrau Grit Bergmann.

Der WDR-Intendant Tom Buhrow gedachte dem geistreichen Komiker und sagte: „Wir bedanken uns bei Herbert Feuerstein nicht nur für ‚Schmidteinander‘, eine Kult-Show, die Fernsehgeschichte geschrieben hat und vieles geändert hat. So oft hat er uns zum Lachen gebracht. Heute sind wir traurig“, so Buhrow.

„Mails hat er immer unterschrieben mit: ‚zukünftige legende herbert feuerstein‘. Recht hatte er!“, erinnert auch der Moderator und Comedian Klaas Heufer-Umlauf auf seinem Instagram-Account an den Komiker. Harald Schmidt reagierte auf Feuersteins Tod mit den Worten: „Feuerstein war ein Genie – das hat er mir selbst gesagt, und ich habe es ihm bestätigt.“ Er hätte ihm während der gemeinsamen Talkshow-Zeit befohlen „zuerst zu sterben – jetzt ist es anders gekommen.“