Das Haus in der Liebigstraße 34 im Berliner Bezirk Friedrichshain wurde am vergangenen Freitag geräumt. Das Wohnprojekt galt als „anarcha-queer-feministisches“ Symbol der linken Szene. Anfang Oktober rückten 1500 Polizist*innen aus acht Bundesländern aus, um die 40 Bewohnerinnen aus dem Haus zu entfernen. Etwa genauso viele Demonstrierende fanden sich auch vor dem Haus in der Liebigstraße ein, welche gegen die Räumung und für bezahlbaren Wohnraum demonstrierten. Die groß angekündigten Ausschreitungen blieben zwar aus, aber dennoch wurden in der Gegend rund um das Haus einige Autos und Container angezündet. In der Woche vor der Räumung gab es einen Kabelbrand an der Berliner S-Bahn, welcher ebenfalls auf die Protestbewegung der Liebig34 zurückzuführen ist.
Die Räumung des Hauses, in dem nur Frauen und trans- und intersexuelle Menschen lebten, wurde für sieben Uhr morgens angesetzt und gestaltete sich als eher friedlich und zügig. Laut der Zeit flogen einigen. Flaschen und es gab ein paar Faustkämpfe, aber jegliche Gewaltanwendung wurde „schnell und routiniert aufgelöst“. Um vorbereitet zu sein, aber auch, um ihre Macht zu demonstrieren, fuhr die Polizei außerdem die ganz großen Geschütze auf: Unter anderem Panzer, ein Helikopter, Fluchtlichtmasten und Höhenrettungsteams auf dem Dach des Gebäudes. Aber auch die Bewohnerinnen haben sich nicht ganz ohne Widerstand der Räumung gebeugt. Sie installierten Blockaden im Hausinneren, mauerten Türen zu, oder stellten andere Fallen, was den Polizist*innen den Zugang schwieriger machte. Am Abend gab es noch einige Proteste in Berlin, bei denen es zu „gewalttätigen Vorfällen“ kam, wie das ZDF berichtet. Auch in Leipzig und Tübingen versammelten sich einige Aktivist*innen der linksextremen Szene, die zu Solidaritätsveranstaltungen aufriefen. Die Protestierenden beklagen, dass es durch derartige Räumungen von Hausprojekten „immer weniger Spielraum“ für ebendiese gibt, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Der Immobilienmarkt in Berlin ist für den oder die Einzelne nicht mehr zu bezahlen. Große Firmen aus dem Ausland kaufen die Wohnungen auf, um sie zu modernisieren und den Mietpreis anzuziehen. Das vertreibt viele Menschen aus der Innenstadt und lässt nur Raum für Menschen die gut verdienen. Es „bedroht die Existenz vieler anderer“, wie die Süddeutsche schreibt und drängt viele Berliner und Berlinerinnen in die Außenbezirke.
Gegner der Hausbesetzerszene kritisieren den Umgang der Besetzer*innen und Bewohner*innen mit den Behörden und den Polizist*innen. Die Räumung der Liebigstraße 34 wurde außerdem zwei Jahre lang ausgesetzt, obwohl der Mietvertrag seit 2018 abgelaufen ist. Der Berliner Senat „hat dieses Treiben zwei Jahre lang geduldet. Hätte er das noch länger getan, hätte sich die Koalition aus SPD, Linken und Grünen lächerlich gemacht,“ so ebenfalls die Süddeutsche. Das wird allerdings von vielen Seiten kritisiert. So erklärte der Sozialwissenschaftler Andrej Holm der Berliner Zeitung: „Die Politik hat sich lange nicht um diese Häuser gekümmert und versteckt jetzt das eigene politische Versagen hinter der juristischen Eigendynamik eines Räumungsurteils.“ Die Politik sei nicht mehr daran interessiert die Besetzung von Häusern zu legalisieren, sondern lässt den Vermietenden freie Hand in der Durchsetzung ihres wirtschaftlichen Willens. Auch der Polizeieinsatz wird von vielen als überzogen erachtet. So twitterte beispielsweise Jan Böhmermann ironisch, dass es so erscheint „als hätte die Polizei endlich die Rechtsterroristen gefunden, die seit Jahren Behörden unterwandern, Bundeswehrmunition horten, Todeslisten schreiben, Nazi-Whatsappgruppen betreiben und Menschen töten und hebe gerade ihr Terrornest in der Berliner Liebigstr 34 aus!“
Die Liebigstraße 34 war eins von 130 besetzten Häusern in Berlin. Seit 1990 dauerten diese Besetzungen an, von denen jetzt nur noch eins übrig ist. In der Rigaer Straße 94, gleich neben der Liebigstraße. Der Widerstand gegen die Räumungen wird kaum so groß sein wie damals in den 90er Jahren, aber dennoch ist die Wichtigkeit von solchen Hausprojekten nicht zu unterschätzen. Sie machen auf das akute Wohnungsproblem in Berlin aufmerksam und bieten Menschen einen Wohnraum, der eigentlich allen zustehen sollte.
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