Re-Reform: Abschied vom Turbo-Abi

Als erstes westdeutsches Flächenland führte das Saarland das G8-Turbo-Abi ein. Nun soll es wieder zum G9-Abi zurückkehren. Doch was soll die Reform der Reform eigentlich bringen?

Die Fehler der G8-Reform solle korrigiert werden, sagte die neue saarländische SPD-Ministerpräsidentin in ihrer ersten Regierungserklärung. Bereits 2001 wurde das Abitur nach der zwölften Stufe im Saarland eingeführt. Die Einführung des Abiturs nach der zwölften Klasse hatte einen einfachen Grund: Das soziale Sicherungssystem in Deutschland sollte entlastet werden. Denn je früher die jungen Menschen mit der Schule fertig sind, desto früher können sie in den Arbeitsmarkt einsteigen und Sozialabgaben zahlen. Nach der Einführung dieser Reform zogen fast alle Bundesländer mit G8 nach, nur Rheinland-Pfalz blieb bei G9.

Der erwünschte Effekt der Reform war aber bescheiden. Das Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte eine Studie, aus der herauskam, dass G8-Abiturienten seltener direkt nach dem Abschluss anfangen zu studieren. Zusätzlich gibt es mehr Sitzenbleiber – signifikant schlechtere Abitur-Noten waren allerdings nicht zu beobachten. Bildungsforscher Olaf Köller vom Kieler Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik fasst zusammen, dass es grundsätzlich keine nennenswerten Unterschiede zwischen G8- und G9-Abiturienten gibt. Eine Kritik hat Köller aber: G8-Schülerinnen und -Schüler hätten deutlich weniger Freizeit.

Zurück zu G9

Bundesweit entstanden vor dem Hintergrund der geschmälerten Freizeit der Schüler und Schülerinnen Eltern-Initiativen für die Rückkehr zu G9. So wuchs der Druck der Öffentlichkeit gegen das sogenannte Turbo-Abi. Aus diesem Grund sind nun wieder fast alle westdeutschen Länder, die sich damals für G8 entschieden haben, wieder zu G9 zurückgekehrt. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern verabschiedeten sich bereits komplett von G8, in Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein herrscht Wahlfreiheit. Dort gibt es Gymnasien, die das G8- und G9-System anbieten. Laut Bildungsforscher Köller verspricht man sich dabei aber zu viel vom Reformwechsel. Zwar war die G9 eine politische Entscheidung, um vor Wahlen noch Stimmen einzufangen, doch der Preis ist hoch: Die Re-Reform verursacht Kosten im mehrstelligen Millionenbereich.

In den neuen Bundesländern gilt bisher aber weiterhin hauptsächlich G8 an Gymnasien. Trotzdem wird in einigen Bundesländern wie Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen zusätzlich das Abitur nach neun Jahren angeboten. Die Tendenz zu G8 in Ostdeutschland und zu G9 in Westdeutschland ist historisch gewachsen. Vor 100 Jahren, als das deutsche Schulsystem grundlegend reformiert wurde und eine vierjährige Grundschulzeit eingeführt wurde, verlängerte sich die Gesamtschulzeit auf 13 Jahre.

Um einen zusätzlichen Offizieranwärter-Jahrgang zu gewinnen, wurde während des NS-Regimes die Schulzeit auf zwölf Jahre verkürzt. Zum Zeitpunkt vom Ende des zweiten Weltkrieges zogen dann westdeutsche Länder nach und knüpften an das Weimarer Schulsystem an, das G9 zur Folge hatte. Währenddessen blieb die DDR zunächst bei G8 – nach der Wende wurde aber zwischenzeitlich das Abitur nach neun Jahren eingeführt. In den 2000er Jahren kehrte man aber wieder zum alten System zurück.

Umstellungen zum nächsten Jahr

Nach den Sommerferien plant das Saarland wieder die Umstellung zu G9. Was bisher noch fehlt ist ein klares Konzept, nach dem der Umstieg und die Umstrukturierung gestaltet werden sollen. Aus diesem Grund halten Lehrverbände und Gewerkschaften die Umstiegsentscheidung für überstürzt. Das saarländische Bildungsministerium setzt für die Entwicklung eines Konzepts dabei auf einen Mitbestimmungsprozess: Lehrer, Eltern, Schulleitungen und Schüler sollen sich beteiligen dürfen, denn der Zeitplan, den die saarländische Regierung dafür gesetzt hat, ist auf jeden Fall sportlich.