Tötungsaufrufe auf Messengerdienst-Telegram

Seit einiger Zeit sind es Einzelfälle von Tötungsaufrufen aus der Querdenker-Szene, die Deutschland diskutieren lassen. Eine Untersuchung zeigt, dass es schon seit Mitte November täglich solche Tötungsaufrufe unter verschiedenen Mitgliedern bzw. Usern gegeben haben soll.

Eine Recherche in geheimen und offenen Telegram-Gruppen-Chats zeigt, dass seit November täglich dazu aufgerufen wird, Menschen zu töten – die Tötungsaufrufe betreffen dabei Personen aus Politik, Medizin, Wissenschaft, Behörden und Medien. Bis heute wurden in den untersuchten Chatgruppen mehr als 250 Aufrufe zur Tötung gefunden.

Anders als andere Plattformen lässt sich Telegram aber nicht vollständig durchschauen. Das heißt, dass es mutmaßlich noch viele andere Gruppen und Kanäle gibt, in denen es genauso abläuft. Im November soll es nur drei Tage gegeben haben, an denen es in den untersuchten Chats keinen einzigen Tötungsaufruf gegeben haben soll.

Warum gibt es keinen Widerspruch?

Die Tötungsaufrufe geschahen nicht ausschließlich anonym, sondern meistens unter dem richtigen Namen. In den Chats mit über 50.000 Mitgliedern gab es keinen Widerspruch – stattdessen wurden die aufrufenden Personen mit anderen hinterlassenen Kommentaren bestärkt.

Josef Holnburger, Politikwissenschaftler vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMas) ist sich sicher: „Die Mordaufrufe sind sehr gefährlich. Laut ihm sind Menschen mit einem verschwörungsideologischen Weltbild eher dazu bereit, Gewalt einzusetzen. Zudem gibt es wenig bis keinen Widerspruch in der Szene.“

Opfer der hemmungslosen Aufrufe sind immer wieder Ministerpräsident Markus Söder (CSU), CDU-Chef Friedrich Merz, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jens Spahn (CDU) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Tötungsaufrufe werden mehr – Impfpflichtdebatte

Ab dem 16. November verging kein Tag, an dem es keine Tötungskommentare in den untersuchten Kanälen gab. Im selben Zeitraum begann die Debatte einer Impfpflicht – zugleich wurde der Begriff vermehrt in der Suchmaschine Google gesucht. Bei den Auswertungen scheint eins auffällig: Mehr als ein Drittel der Tötungskommentare kommen aus zwei großen Telegram-Gruppen, in denen sich Anhänger von Q-Anon und anderen Verschwörungsikonen austauschen. In diesen beiden Gruppen geht es um hemmungslose Aggression: Mehr als hundertmal wird hier zum Tod von bestimmten Personen aufgerufen.

Soldaten rufen zum Gewaltakt auf

Die Auswertung der Daten zeigt, dass sich auch eine Gruppe von Soldaten und Reservisten über die Tötung von Menschen austauscht. Zahlreiche Aufrufe zur Tötung zeigen, dass der Aufruf des Soldaten Andreas O. schon lange kein Einzelfall mehr ist. Im Video drohte er: „Eure Leichen wird man auf Feldern verteilen.“ In der genannten Telegram-Gruppe heißt es beispielsweise über Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): „Die Alte gehört abgeknallt.“ Zwar ist die Justiz bereits eingeschritten und hat den Soldaten verhört, danach aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Weitere Nachforschungen sollen folgen.

Medienhass

Doch einzelne Personen der Politik sind nicht die einzige Zielscheibe. Auch über eine Wissenschaftsjournalistin, die 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, heißt es: „Wir werden auch Sie eines Tages hängen.“ Dieser Kommentar wurde verfasst, weil sich die Journalistin zuvor für eine Impfpflicht ausgesprochen hatte. Zusätzlich versammelten sich Hunderte Menschen vor dem ZDF-Studio in Berlin und riefen „Lügenpresse“-Parolen.

Der Medienhass verbreitete sich bereits auf Telegram. Am 5. November schrieb ein User: „Vielleicht sollten wir wirklich die ARD und das ZDF abfackeln, um ihre Medienpropaganda-Maschine kaputt zu machen.“ Daraufhin antworteten andere Nutzer mit: „Warum brennen die Medien noch nicht, ich meine die Gebäude, wo der Dreck ausgestrahlt wird?“ und „Macht den Propaganda Laden dem Erdboden gleich. Volksverräter an den Galgen“.

Untersuchungsgegenstand: 230 Kanäle

Zur Recherche wurden 230 Kanäle auf Telegram aus rechtsextremen und Querdenker-Gruppen auf zahlreiche Begriffe untersucht. In 33 Chats erzielte die Begriffssuche Treffer, die intern dokumentiert sind. Von diesen Beispielen wurden drei veröffentlicht, um zu zeigen, was in diesen Gruppen nahezu täglich vor sich geht.