Eigentlich macht es keinen Sinn, dass Putin die Ukraine angreift, weil das Land wirtschaftlich und industriell nicht viel zu bieten hat. Das flächenmäßig zweitgrößte Land Europas ist abhängig vom russischen Erdgas und kann lediglich auf die Stahl- und Schwerindustrie und die Agrarindustrie mit Stolz blicken, während seit der Corona-Pandemie die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 4 Prozent zurückging. Zwar erholt sich das Land am Schwarzen Meer mittlerweile wieder, aber strategisch wertvoll ist da eigentlich nichts, weshalb es sich wirklich lohnen könnte, die Ukraine anzugreifen. Das Land ist abhängig von europäischen Wirtschaftspartnern und hinkt ökologisch und ökonomisch sämtlichen Trends und Entwicklungen hinterher. Umso verwirrender ist es, dass Putin sich das Land einverleiben und die russische Expansion auf diese Weise vorantreiben will. Die eigene wirtschaftliche Lage des Kreml ist bedenklich, ein Großteil der Bevölkerung muss darben und wenn der Westen die Erdgaslieferungen durch Nordstream 2 oder auch die Rohöllieferungen unterbindet, fehlt dem riesigen Reich an Don und Wolga das Geld, um sich unabhängig am Leben zu halten. Ob Putin wirklich so ein „Zocker“ ist, der sein Land aufs Spiel setzt, um den letzten Strohhalm zu greifen, der ihm erlauben würde, der westlichen Welt seine Forderungen aufzudrücken?
Die einzig beeindruckende Reputation Russlands liegt in der militärischen Stärke und der Anzahl der Truppen, die aus Millionen Soldaten bestehen und sich auf jede mögliche Invasion einlassen könnten, wenn es Putin befiehlt. Das ehemalige Zarenreich im Osten Europas hat selbst seit Jahren immense wirtschaftliche Probleme, und Rohöl und Erdgas garantieren dem Land sein Überleben. Doch statt dem eigenen Volk ein ausgewogenes Leben zu gewährleisten, steckt Russland das meiste Geld in sein Militär und in die eigenen Streitkräfte, so dass die Landbevölkerung arm gehalten und nur mittels Durchhalteparolen bei Laune gehalten wird. Das russische Volk ist insgesamt nicht gut auf Putin zu sprechen, so dass dieser Erfolge vorweisen muss – und sei es militärisch. Doch was steckt sonst eigentlich hinter der unnötigen Provokation der gesamten westlich Welt, die seit Wochen in Alarmbereitschaft ist?
Eines der Argumente, die Putin immer wieder anführt, ist, dass dieser sich beklagt, der Westen ignoriere Russlands Sicherheitsinteressen. Insbesondere kritisiert der Kremlführer, dass Russlands Forderung nach einem Ende der Nato-Osterweiterung abgelehnt worden sei. Zudem beschuldigt er den Westen, keine Rücksicht auf das Prinzip der «Unteilbarkeit der Sicherheit» in Europa zu nehmen. Sein Argument: Kein Land dürfe seine eigene Sicherheit auf Kosten der Interessen eines anderen Landes durchsetzen. Doch der vom Westen vorgetragene Vorwurf, dass der Kreml dieses Prinzip selber ständig verletzt, ist bisher an der russischen Führung abgeprallt. Der russische Botschafter in Deutschland ließ sogar letzte Woche verlauten, dass er und sein Land auf die angedrohten strikten Sanktionen „scheißen“ würde. Harte Worte, die zeigen, dass Russland lieber mit dem Feuer spielt, anstatt Vernunft walten zu lassen.
Als klar geworden war, dass Putin mit Selenski, dem ukrainischen Präsidenten, nicht die erhoffte gemeinsame Basis finden würde und dieser einen schärferen Kurs gegenüber Moskau und den Separatisten angeschlagen hatte, kam das Putin wie eine persönliche Provokation vor. Der Truppenaufmarsch Russlands vor der Grenze könnte auch eine Abrechnung mit dem Präsidenten sein, um diesen einzuschüchtern. Sollte Putin aber erste widerrechtliche Schritte auf ukrainischen Boden setzen, droht eine Eskalation mit weltweiten Folgen. Daran mag niemand ernsthaft denken wollen, zumal dann auch die Weltwirtschaft und das Finanzgefüge in ernsthafte Schwierigkeiten kommen könnte.
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