Es mangelt nicht an Aufträgen, sondern an Material für die Bearbeitung. Die Kosten haben sich aufgrund der Materialengpässe teilweise verdreifacht. Gerade in Hochwassergebieten ist keine Branche zurzeit gefragter als das Handwerk. Doch der Wiederaufbau wird viel Zeit in Anspruch nehmen.
Nachdem die Flutkatastrophe endlich vorüber war, ging es ans Aufräumen und Renovieren. In der Handwerks- und Baubranche sind die Auftragsbücher voll. Doch der Wiederaufbau lässt auf sich warten. Der Grund: Es kommt zu Lieferengpässen bei Rohstoffen, weshalb Kundinnen und Kunden immer länger auf ihren Handwerker warten müssen. Hinzu kommt, dass die Preise aufgrund des Materialmangels in die Höhe schießen – Bauen ist teuer. Doch „nicht nur Holz ist derzeit knapp und teuer, sondern alles, was man braucht, um ein Haus zu bauen und zu renovieren und vieles mehr“, erklärte der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer und fügte hinzu: „Auch elektronische Teile für unsere Elektroniker und Kabel und all das fehlt. Das macht unseren Betrieben in diesen Bereichen im Moment ganz schwer zu schaffen.“
Bereits vor der Flutkatastrophe war es schwierig, einen Handwerker zu finden. Doch nun kommen auch noch die Materialengpässe dazu. Die Wartezeiten verlängern sich, insbesondere für Kundinnen und Kunden, die nicht vom Hochwasser betroffen sind. NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert bittet um Nachsicht. „Dafür muss jetzt jeder Verständnis haben, zumal auch viele Werkstätten und Garagen von Handwerksbetrieben geflutet wurden.“
Das Personal ist laut Ehlert kein Problem, sondern die Verfügbarkeit von Baumaterialien. „Der akute Zusatzbedarf in den Überflutungsgebieten hat die bereits seit Monaten vorhandene Knappheitsproblematik bei Holz, Metallen, Dicht- und Dämmmaterial, Kunststoff- und Elektroteilen regional noch einmal zugespitzt“, erklärte Ehlert und fügte hinzu: „Wir wissen allerdings von vielen Handwerksunternehmen, die sich in ihrer Auftragspriorisierung derzeit ganz stark auf flutgeschädigte Haus- und Grundbesitzer konzentrieren und solche Arbeiten, wenn irgend möglich vorziehen.“ Auch Wollseifer beteuerte: „Unsere Betriebe tun da gerade ihr Bestes, damit sich das nicht oder nur in Maßen auf Kundenseite auswirkt. Im Gesamthandwerk liegt die durchschnittliche Auftragsreichweite derzeit bei 8,8 Wochen“.
Doch nicht nur das Handwerk hat mit Materialengpässen zu kämpfen. Im Mai 2021 verzeichneten neben Bau- vor allem auch Industrie- und Energielieferanten einen Rückgang in der Produktion. Insgesamt wurden 0,3 Prozent weniger hergestellt als im Vormonat, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Im April war die Produktion der deutschen sogar um ein Prozent zurückgegangen und somit weitaus mehr, als Experten zunächst vorausgesagt hatten. Der Grund für den Rückgang ist ein Mangel an Produktionsteilen wie Halbleitern und Bauholz, der die Produktionskette in den Unternehmen unterbricht. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts klagen rund zwei Drittel der deutschen Industrieunternehmen über Materialengpässe und Probleme bei der Lieferung von Vorprodukten. Von April bis Juli 2021 stieg der Anteil der betroffenen Betriebe von 45 auf knapp 64 Prozent. „Bereits im Vorquartal meldeten die Unternehmen einen Rekordwert, dieser wurde nochmals deutlich übertroffen“, teilte der Leiter des Ifo-Instituts, Klaus Wohlrabe, mit und fügte hinzu: „Das könnte zu einer Gefahr für den Aufschwung werden.“
Aufgrund des Materialmangels stiegen die Preise für den Einkauf stark an. „Derzeit bedienen die Hersteller die Nachfrage noch aus ihren Lagern an Fertigwaren. Aber die leeren sich nun auch zusehends, wie sie uns mitgeteilt haben“, so Wohlrabe. Die Auswirkungen auf die verschiedenen Sektoren variieren stark. Während der Ausstoß der Industrie nur um 0,7 Prozent sank, erlitt das Baugewerbe einen Rückgang von 4,3 Prozent. Doch der LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch ist positiv eingestellt: „Das ist nicht erfreulich, aber angesichts der Situation mit den Berichten von Lieferengpässen in einigen Bereichen wiederum kein Beinbruch.“ Ähnlich sieht es das Bundeswirtschaftsministerium: „Der Ausblick für die Industriekonjunktur insgesamt bleibt aber positiv angesichts einer nach wie vor hohen Nachfrage sowie deutlicher Verbesserungen beim Geschäftsklima und den Exporterwartungen.“ Den Rückgang begründete das Ministerium damit, dass es vor allem in der Automobilbranche zu Versorgungsengpässen mit Halbleitern kam. Die Industriekonjunktur ist weiterhin positiv, denn trotz der Lieferengpässe und der verzögerten Produktion werden deutlich bessere Zahlen als noch im Vorjahr verzeichnet. Einer der Hauptgründe ist das wachsende Auslandsgeschäft. Vor allem die USA und China versprechen für die wichtigsten Exportkunden von deutschen Unternehmen eine wirtschaftliche Erholung, die nach dem schweren Jahr 2020 dringend gebraucht wird.
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