Sorgen vor Gentechnik bei Pflanzenzucht

Wissenschaftler sind sich den Chancen von Gentechnik bewusst und fordern, die Forschung nicht auszubremsen. Dagegen fordert Landwirtschaftsminister Özdemir strengere Regularien für die Genveränderung im Bereich der Pflanzenzucht.

Bislang dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht auf deutschen Äckern angebaut werden. Im Gegensatz zu den USA ist ihre Erforschung auch in Europa stark reguliert. Vor dem Hintergrund, dass renommierte Wissenschaftsorganisationen immer lauter gegen die Regularien protestieren, kündigte die EU-Kommission an, den Rechtsrahmen überdenken zu wollen.

Vielen Wissenschaftlern zufolge sind die geltenden Gesetze nicht nachvollziehbar, da wichtige Forschung ausgebremst werde. In einer Stellungnahme schreiben die Nationale Akademie der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das europäische Gentechnikrecht hemme die Entwicklung dringend erforderlicher verbesserter Nutzpflanzen.

Pflanzen schneller an Umweltgegebenheiten anpassen

Gentechnik sei dabei ein Instrument, um beispielsweise Pflanzen präziser und schneller an die Folgen der Klimakrise anpassen zu können, erklärt Vizepräsident der DFG, Axel Brakhage, im ARD-Magazin Panorama. „Wir brauchen jetzt hitzetolerante Pflanzen, wir brauchen Pflanzen, die gegen Pilzerkrankungen wesentlich widerstandsfähiger sind, sonst werden wir die Ernährung in der Welt nicht sicherstellen können“, erklärt der Molekularbiologe. Nicolaus von Wirén, ein Biologe vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenerforschung in Gatersleben, verfolgt auch Ansätze, die das Ziel haben, mit Hilfe der neuen Technologien Nahrung zukünftig mit weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel anbauen zu können. Konkret handelt es sich in der derzeitigen Debatte um eine Methode namens Genom-Editierungsverfahren. Das bekannteste unter ihnen, genannt CrisprCas9 – umgangssprachlich auch Genschere, wurde 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Pflanzenerbgut, dass mit Hilfe dieser Methode verändert wurde, lässt sich oftmals nicht von natürlich auftretenden Veränderungen unterscheiden. Daher setzt sich die Nationale Akademie der Wissenschaften dafür ein, dass die Zuchtverfahren nicht mehr unter das bisherige Gentechnikrecht fallen. In anderen Ländern sind die genomeditierten Pflanzen bereits von Gentechnikregelungen ausgenommen.

Özdemir forderte EU-Regeln

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) scheinen die Argumente der Wissenschaftler nicht zu überzeugen. Er unterstützt das europäische Gentechnikrecht, denn laut ihm biete dieses einen guten Rahmen für eine gründliche Risikobewertung. Özdemirs Ministerium schreibt, dass für Pflanzen, die mit neuen gentechnischen Verfahren erzeugt wurden, bislang noch die Erfahrung fehlt. So können sich bestimmte Pflanzen außerhalb des Feldes weiter ausbreiten und andere Arten verdrängen. Grundsätzlich setze man auf konventionelle und ökologische Züchtungen, erklärt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in Berlin.

Keine Risiken für Mensch und Natur?

In einer Stellungnahme schreiben die Nationale Akademie der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, dass auch nach dreißig Jahren weltweiter Anwendung von Nutzpflanzen, die durch klassische ältere Gentechnik erzeugt wurden, keine Risiken für Mensch, Natur und Umwelt nachgewiesen werden konnte. Weiter heißt es in der Stellungnahme, dass für Produkte der neuen gentechnischen Zuchtmethoden naturgemäß noch Langzeiterfahrungen ausstehen würden. Es gäbe allerdings keine Hinweise darauf, dass die Methoden der Genom-Editierung mit spezifischen neuartigen Risiken verbunden seien. Nachwuchsforscherin Svenja Augustin ärgert es, dass die Grünen die Gentechnik so ausbremsen. Sie arbeitet aktuell an der Universität in Düsseldorf im Rahmen einer Exzelleninitiative an ihrer Doktorarbeit und benutzt zum Pflanzenwachstum die gentechnische Zuchtmethode CrisprCas9. Ihr zufolge macht das gentechnische Verfahren die Pflanzenzüchtung in erster Linie schneller. Zusätzlich sei es unumstritten, dass die Nutzung von Gentechnik nicht mit höheren Risiken einhergehe, als wenn das Erbgut von Pflanzen mit anderen herkömmlichen Methoden verändert würde. Ob eine Pflanze also Gesundheitsgefahren berge, hängt nicht mit der Züchtung, sondern mit ihren Eigenschaften zusammen.

Ob die EU-Kommission den Argumenten der Wissenschaftler folgen wird, wird sich 2023 entscheiden. Wissenschaftler fordern, dass die Debatte weitergeführt wird und Forschungsergebnisse und Fakten mehr Beachtung geschenkt werden. Denn eins ist heute schon klar: Die Liste der negativen Folgen des Einsatzes in der Landwirtschaft ist lang. Dazu gehören: Kontamination, Resistenzen, Biodiversitätsverlust, Pestizide und vieles mehr.