Von der Leyen: Ach Ursula, wer soll das alles noch verstehen?

Diejenigen, die wissen, worum es in der Politik wirklich geht, haben schon des Öfteren die Stirn in Falten gezogen und die Nase gerümpft, wenn sie einen Blick auf die politische Lebensleistung von Dr. Ursula von der Leyen geworfen haben. Da wurde viel angefangen, viel versucht und rumgewurschtelt, da hatte man oft den Eindruck, sie müsse ihre Bestimmung, ihre Rolle und die Aufgabe erst einmal finden, im Dickicht unbekannter Gebiete und Herausforderungen. Eine Vielzahl von neuen Positionen, immer wieder gedeckt und protegiert von anderen, wie auch von Angela Merkel in 16 Jahren Kanzlerin-Zeit, von einem Ministerium ins andere, und nun seit bald 3 Jahren als Kommissionspräsidentin in Brüssel. Man ist geneigt zu denken, die Bestimmung dieser Frau ist die Duldung innerhalb politischer Ämter und Positionen, wenn sie denn nur keine allzu heißen Eisen anfässt und ihre Dienstgeschäfte mit durchschnittlichen Ergebnissen abwickelt. Doch so richtig ist scheinbar niemand mit dem Aktionsradius und der Erfolgsquote der ehemaligen Verteidigungsministerin zufrieden, mehren sich doch in Brüssel ähnlich wie seinerzeit in Deutschland die Stimmen, dass Ursula von der Leyen für die Umsetzung von Projekten und Aufgaben einfach nicht das passende Händchen und vielleicht zu wenig Kompetenz mitbringt. Von einem Misstrauensvotum in Brüssel war bereits die Rede wegen ihres eigenmächtigen aber sinnfreien Führungsstils.

Es heißt, in Brüssel wächst der Unmut. Gegenüber einer Frau, die als Abziehbild einer „eisernen Lady“ wie seinerzeit Magret Thatcher, in Europa die Fäden ziehen und die alliierten Partner mit ins Boot nehmen will. Erst, bei Amtsantritt, sah es noch anders aus. Der Ukraine-Krieg bot die passende Bühne, um eine wie sie sagte „geopolitische Kommission“ zu führen. Als „Maklerin der Macht“ vom TIME Magazin geehrte Politikerin mitsamt Titelgeschichte, konnte von der Leyen bei ihren Kritikern Punkte sammeln. Doch mittlerweile fällt immer wieder das Wort „Führungsschwäche“. Denn in Brüssel reden viele mit, es sind 705 Parlamentsabgeordnete, 27 Staats- und Regierungschefs und weitere 26 Kommissionsmitglieder. Da genügt nicht ein verbindlicher Ton, da muss man den Ton angeben und als Leitwolf und Alpha-Tier überzeugen. So, wie Jean-Claude Juncker, ihr Vorgänger, der allerdings seine Dominanz und seine Autorität offenbar nur beim Genuss von alkoholischen Getränken stärken konnte. Juncker delegierte clevererweise viele Aufgaben an die Kommissare und ließ sie machen, während von der Leyen alles selbst in die Hand nimmt. Mit mäßigem Erfolg, auch mangels fachlicher Eignung. Das spiegelt zuletzt ihre Tätigkeit im Verteidigungsministerium, wo sie in den Jahren 2013-2019 über den ein oder anderen Stolperstein getaumelt ist, am Ende aber Rückendeckung von Duz-Freundin Angela Merkel bekam. Man denke nur an die Gorch Fock-Affäre, deren Geldvernichtungs-Maschinerie von Ursula von der Leyen mitverantwortet wurde. Immer irgendwie auf irgendwelchen wichtigen Posten anzutreffen, gelang es von der Leyen zeitlebens, im Fahrwasser ihres seinerzeit erfolgreichen Vaters und Niedersachsen-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht politisch Karriere zu machen. Mit durchschnittlicher Kenntnis, dafür aber mit geneigten Förderern. Von 2003 bis 2005 niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, von 2005 bis 2009 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von 2009 bis 2013 Bundesministerin für Arbeit und Soziales und von 2013 bis 2019 Bundesministerin der Verteidigung. Danach ab nach Brüssel. Auch wieder durch Unterstützung Dritter, in diesem Fall durch Intervention von Frankreichs Präsident Macron. Dazu tausende von Mitarbeiter:innen, die das Denken, Recherchieren und Schreiben für sie übernehmen. So wie im Ministerium für Verteidigung, wo mehr als 5.000 Beschäftigte die Vorarbeiten, Recherchen und Konzeptionen machen.

Schlimmer als der Satz: „Wir haben nicht den Eindruck, dass wir ihr vertrauen können“, kann eine Beurteilung einer Leitfigur europäischer Politik und Integration nicht lauten, auch wenn dieser „nur“ vom Chef der deutschen Grünen im europäischen Parlament, Rasmus Andresen, ausgesprochen wurde. Aber um zur prägenden Gestalt der EU zu werden, braucht es Qualität und Durchblick, Führungsanspruch und Akzeptanz. Davon scheint von der Leyen meilenweit entfernt.