Der Weg in die Zahnarzt-Praxis wird seit der Pandemie mehr gemieden als sonst. Obwohl der Besuch beim Zahnarzt die Infektionsgefahr nicht erhöht, kommen weniger Patienten als vor der Pandemie in die Praxen. Es droht eine Pleitewelle.
Es kein Geheimnis – niemand geht gerne zum Zahnarzt. Allerdings sind regelmäßige Kontrollen unumgänglich. Ebenso wie der regelmäßige Check-up beim Hausarzt, müssen die Zähne kontrolliert und gepflegt werden. Allerdings ist diese Routine während des Lockdowns vernachlässigt worden. Insbesondere in den Monaten April und Mai verzeichneten zahlreiche Zahnarztpraxen einen drastischen Rückgang der Patientenzahlen. „Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab es Rückgänge von bis zu 40 Prozent“, teilte Wolfgang Eßner, Chef der kassenärztlichen Bundesvereinigung, in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit und fügte hinzu: „In der Lockdown-Phase in den Monaten März und April waren 85 Prozent der Praxen von erheblichen Einbußen betroffen, sehr viele mussten Kurzarbeit beantragen, und etliche mussten wohl auch Unterstützungsleistungen von Bund und Ländern in Anspruch nehmen.“ Wenig verwunderlich. Wenn keine Patienten kommen, fehlen den Zahnärzten die Einnahmen. Die Folge: Bei anhaltendem Rückgang der Patientenzahlen droht die Insolvenz.
Doch woran liegt das? Zahnärzte blieben ebenso wie andere Arztpraxen auch während des Lockdowns geöffnet und eine zahnmedizinische Versorgung ist genauso wichtig wie eine allgemeinmedizinische. Auch während der Pandemie werden Zahnbeschwerden behandelt und Patienten mit Corona haben das gleiche Recht auf eine zahnmedizinische Behandlung wie alle anderen auch. „Jeder Patient und selbstverständlich auch jeder Corona-Patient wird behandelt“, erklärte Eßner und fügte hinzu: „Für die Akut- und Notfallbehandlung von Infizierten und Verdachtsfällen haben wir ein bundesweites Netz von 30 Kliniken und 170 Schwerpunktpraxen errichtet.“ Ähnlich wie bei einer allgemeinmedizinischen Behandlung müssen Patienten, die infiziert sind, unter Quarantäne stehen oder Kontakt zu Infizierten hatten vorher telefonisch mit der Praxis oder der entsprechenden kassenärztliche Vereinigung klären, wie die Behandlung erfolgen wird, so Eßner.
Dennoch sind die Patientenzahlen rückläufig. Dabei ist eine gute Mundhygiene essentiell für eine gute Allgemeingesundheit. Die regelmäßigen Kontrollen beim Zahnarzt dürfen nicht aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus aufgeschoben werden, mahnte Eßner. Mit dem zweiten Lockdown im November und dem derzeitigen Pandemiegeschehen bleibt die Angst vieler bestehen. Aber auch wenn Zahnärzte nahe am Patienten arbeiten, ist das Infektionsrisiko deshalb nicht höher. „Höchste Hygienestandards in unseren Praxen bieten zuverlässigen Infektionsschutz – auch während er Pandemie. Es muss also niemand Angst haben, zum Zahnarzt zu gehen“, erklärte Eßner. Wer die Zahnkontrolle vernachlässigt, riskiert die Entstehung und Verschlechterung von „Karies, Zahnfleischentzündungen oder Erkrankungen des Zahnhalteapparates.“
Wer trotz alledem Angst hat, sollte sich in Erinnerung rufen, dass mit der Unterbrechung der jährlichen Kontrolle, der Bonusanspruch gegenüber der Krankenkasse verloren geht, warnte Eßner und forderte auf, die Vorsorgetermine auch in der Pandemie einzuhalten und sich den Stempel regelmäßig zu holen. Die einzige Ausnahme bilden Kinder und Jugendliche. Wenn sie „aufgrund der Pandemie die Vorsorge in der Praxis im ersten Halbjahr nicht wahrnehmen konnten, verlieren [sie] bei einer solchen Behandlung nicht automatisch ihren vollständigen Bonusanspruch. Aber Achtung: diese Regelung gilt nicht für Erwachsene“, sagte Eßner.
Zahnarztpraxen müssen sich dennoch auf den Notfall vorbereiten. Bei ausbleibenden Patienten und den Corona-Maßnahmen stehen die Praxen vor finanziellen Engpässen. Eine Insolvenz ist für viele das „Worst-Case-Szenario“. Doch Insolvenzexperte Tilo Kolb widerspricht in einem Interview mit „Quintessence News“: „Insolvenz nicht verteufeln“ und fügte hinzu: „Wenn der Zahnarzt … ein Insolvenzverfahren nicht verteufelt, sondern als eine reale Chance zur Sanierung begreift, kann er sich mithilfe eines sogenannten Insolvenzplanverfahrens sanieren.“
Dieses unterscheidet sich laut Kolb insofern von einem Regelinsolvenzverfahren, als dass es den Erhalt der Zulassung ermöglicht. Und für freiberufliche Zahnärzte entscheidet die Zulassung über den Betrieb ihrer Praxis. Dafür stellt der Zahnarzt einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht. „Der Richter bestellt dann einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der gemeinsam mit dem Zahnarzt die wirtschaftlichen Gründe für die finanziellen Probleme analysiert. Aus der Analyse leiten beide dann leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen ab. Diese werden im Insolvenzplan festgelegt und dann dem Gericht und den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt“, erklärte Kolb.
Selbst wenn eine Insolvenz droht, sei dies nicht unbedingt das Aus für eine Praxis. Je früher Maßnahmen ergriffen werden, desto besser, verweist er und warnte: „Wenn es eine Corona-bedingte Finanzierungslücke gibt oder der Zahnarzt in absehbarer Zeit zahlungsunfähig ist, sollte er nicht mehr zögern, sondern das Gespräch mit einem Finanz-Spezialisten suchen.“
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