Energiekrise: Wer soll nur die Stadtwerke retten?

Bereits seit langem hat Deutschland mit immensen Energiepreisen zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund ruft die Politik die Grundversorger dazu auf, nachsichtig mit säumigen Kunden zu sein. Allerdings wird es auch für Stadtwerke eng, wenn viele Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Wer immer noch nicht verstanden hat, dass die Energieversorgung zum zentralen Wirtschaftsproblem des Landes geworden ist, hat alle Warnungen und Hinweise ignoriert. Jedoch hätte sich ein Kunde auch mit entsprechender Vorahnung nicht dagegen schützen können. Die Bundesregierung hat im Sinne der Ukraine gehandelt: Die Sanktionen gegen Russland wurden als Maßnahme zur Unterstützung gewählt.

Was Wirtschaft und Verbraucher nun erleben, sei die direkte Folge davon. Darunter ein massiv gestiegener Preis für Gas und Strom, die aber nicht ausschließlich Verbraucher, sondern auch Versorger in Schwierigkeiten bringen könnten.

 

Verträge noch günstig

Ende des Jahres könnten die Stadtwerke in eine Schieflage geraten. Das würde noch viel ernstere Probleme mit sich bringen, denn die Stadtwerke sind die Pfeiler der gesetzlichen Grundversorgung. Stadtwerke kümmern sich unter anderem auch um Wasser, um Strom, entsorgen Müll und bauen regenerative Energiequellen aus. Bislang kämpfen sie immer noch dafür, die Verbraucher weiterhin mit ausreichend Gas zu versorgen. So kauften sie größere Tranchen Gas am Markt ein, je nach Volumen ihrer abgeschlossenen Verträge. Entsprechend dem Kaufpreis geben sie dann über die Laufzeit der Verträge das Gas an ihre Kunden ab.

Das sei der Grund, warum die Verbraucher trotz der gestiegenen Marktpreise noch keine Preiserhöhung mitbekommen haben. Dank ihrer Verträge werden sie noch mit älterem Gas versorgt, dass schon vor einiger Zeit eingekauft wurde. Das heißt, dass die um ein Vielfaches gestiegenen Preise erst nach Vertragsverlängerung bzw. Abschluss neuer Verträge, fällig werden. Die Versorger sind dazu gezwungen, die Preise weiterzugeben – sonst werden sie selbst Opfer der Energiekrise.

 

Preiserhöhung nicht effektiv

Selbst wenn alle Kunden die gestiegenen Preise bezahlen könnten, kann es kein „Weiter so“ geben: Die gestiegenen Preise resultieren hauptsächlich aus dem Mangel an Gas. Das wiederum heißt auch, dass alle, die sich das Gas weiterhin leisten können, irgendwann im Kalten sitzen. Ob die vorhandene Menge an Gas ausreicht, um Privathaushalte und öffentliche Einrichtungen wie gewohnt zu versorgen, bleibt allerdings noch unklar.

 

Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, äußert sich klar: „Wir brauchen jetzt die gemeinsame Kraftanstrengung. Die Städte wollen 20 Prozent Gas einsparen. Wenn alle gemeinsam dieses Ziel verfolgen, sehe ich eine gute Chance, ohne Ausfälle durch den Winter zu kommen. Aber die Städte bereiten sich auch auf den Ernstfall vor. Unsere Katastrophenschützer spielen deshalb auch vorübergehende Stromausfälle durch.“

 

Rechnungen mit unbekannten Variablen

Ein Problem gibt es noch: Nicht alle Kunden werden diesen Winter ihre Rechnungen bezahlen können. So rechnet der Deutsche Städtetag mit „einer deutlichen Zunahme von Zahlungsproblemen bei privaten Endkunden, Handwerksbetrieben oder Unternehmen“. Eine weitere unbekannte Variable: Bei wie vielen Gaskunden das Budget bald nicht mehr ausreichen werde und wie viele davon die Gasrechnung unbezahlt liegen lassen werden?

Stadtwerke müssen notgedrungen in Vorlage gehen, wenn sie am Energiemarkt Gas und Strom einkaufen und über ihre Netze weiterverkaufen. Wenn ihre Kunden den vertraglich vereinbarten Zahlungen nicht mehr nachgehen können, fehlt ihnen Kapital, das am Markt zum weiteren Ankauf von Gas dienen soll.

 

Drohende Insolvenz

Der Vorstandssprecher des Energieversorgers EWR in Worms, Stephan Wilhelm, sagt, dass die Ungewissheit für Stadtwerke ein hohes wirtschaftliches Risiko berge: „Tatsächlich ist derzeit gar kein Markt mehr für Gas vorhanden. Wenn wir unseren Gasbedarf ausschreiben, ist es schon passiert, dass nur ein Anbieter ein Angebot macht, maximal mal zwei oder auch mal gar keiner.“ Die Stadtwerke, die laut Gesetz die Grundversorgung sicherstellen müssen, sind gezwungen, jeden vom Gaslieferanten aufgerufenen Preis zu bezahlen. Zuletzt waren das 900 Prozent mehr als beim Preis im Vorjahresmonat.

Die Krise verschlimmert sich mittlerweile täglich. Doch erst wenn die Heizperiode richtig anfängt, werden die Menschen das Ausmaß der Energiekrise spüren. Jedem ist angeraten, finanzielle Rücklagen zu bilden, um die hohen Nachzahlungen bzw. die Kosten für Neuverträge stemmen zu können.