Stromautobahn unter Wasser – Kabel zwischen Deutschland und Großbritannien

Ein geplantes Unterseestromkabel der Projektgesellschaft „NeuConnect Ltd.“ zwischen Großbritannien und Deutschland soll künftig Energie für 1,5 Millionen Haushalte transportieren. Dabei soll es bis zu 1,4 Gigawatt Strom liefern und auch bei der Energiewende eine entscheidende Rolle spielen. Von dem Interkonnektor „NeuConnect“ können beide Länder profitieren.

Durch die sogenannte Stromautobahn und dem 720 Kilometer langen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungskabel (HGÜ-Kabel) „NeuConnect“ wollen Deutschland und Großbritannien Elektrizität handeln und tauschen. Ab 2026 soll das Kabel Wilhelmshaven mit der Halbinsel Hoo an der Themse-Mündung durch die Nordsee verbinden. Es wird die erste direkte Stromverbindung zwischen Deutschland und Großbritannien sein. Die geplante Verbindung quert die Hoheitsgebiete von Großbritannien, der Niederlande und Deutschlands.

Laut dem Wirtschaftsministerium in Berlin kann „NeuConnect“ aus Sicht der Bundesregierung erhebliche volks- und energiewirtschaftliche Vorteile bieten. Der Interkonnektor soll später nämlich bis zu 1,4 Gigawatt Strom transportieren – und das in beide Richtungen.

Das Projekt könnte das deutsche Übertragungsnetz entlasten, Kosten senken und erneuerbare Energien nachhaltig integrieren. „NeuConnect“ gehört zwar zum Bundesbedarfsplan, aber die Bundesregierung beteiligt sich dabei nicht finanziell.

Auch die britische Regierung, die das Vorhaben genauso wie die deutsche Regierung unterstützt, ist nicht bereit für das Kabel Geld auszugeben. Das heißt weder die deutsche noch die britische Regierung wird für das Vorhaben ihre finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Rund 1,66 Milliarden Euro soll das Stromkabel kosten. Einzig und allein ein Investorenkonsortium übernimmt die Kosten für das deutsch-britische Projekt.

Erneuerbare Energien sollen nicht verschwendet werden

Erst vor kurzer Zeit hatte Großbritannien und Norwegen das bisher längste Unterseestromkabel in Betrieb genommen. Jetzt soll „NeuConnect uns dabei helfen sicherzustellen, dass erneuerbare Energien nicht verschwendet werden“, so das Wirtschaftsministerium in London. Auch zwischen Deutschland und Norwegen besteht bereits ein Interkonnektor, der auch durch die Nordsee verläuft. Der sogenannte „Nordlink“ macht eines möglich: Einen Zugang zu deutschem Windstrom und norwegischen Wasserkraftwerken.

Weil der Preis für Strom in Großbritannien dauerhaft höher ist als der in Deutschland, hoffen die Briten mithilfe der Verbindung vor allem die Stromkosten für Verbraucher zu senken. Großbritannien importiert schon länger seinen Strom. Das Land betreibt mehrere Interkonnektoren mit Frankreich, Irland und den Niederlanden. So konnte 5,4 Prozent des Strombedarfs 2020 durch importierten Strom aus dem Ausland gedeckt werden.

Überflüssiger Strom kann abgegeben werden

Mit „NeuConnect“ soll Deutschland seinerseits überschüssigen Strom abgeben. So kann die erstmalige Verbindung zweier der größten europäischen Energiemärkte zu einer widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Stromversorgung in Deutschland und Großbritannien führen.

Boris Johnson, der Premierminister von Großbritannien, will grüne Energien voranbringen und das Land bis 2040 zum „Saudi-Arabien der Windkraft“ machen. Dabei soll sich die Kapazität nach eigenen Angaben von 10 Gigawatt 2019 bis 2030 vervierfachen. Die bundeseigene Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) schreibt in einer Analyse, dass das Vereinigte Königreich auf diese Weise zum Strom-Exporteur werden will.

Doch bislang ist Großbritannien immer noch von Stromimporten abhängig. Derzeit nutzt Frankreich diese Situation aus. Im Streit um Fischfangrechte im Ärmelkanal nutzt Frankreich die Stromlieferungen nach Großbritannien als Druckmittel. Sie drohen die Lieferungen auf die Kanalinsel Jersey auszusetzen. Letztendlich hat ein Brand in einem britischen Stromverteilzentrum die Kapazität für den Interkonnektor zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich gesenkt und so für schwankende Elektrizitätspreise gesorgt. Das Vereinigte Königreich hofft also durch das Stromkabel von Wilhelmshaven bis zur Halbinsel Hoo an der Themse-Mündung die Energiepreise wieder drücken zu können.