Vor allem jüngeren Menschen fehlt fundamentales Wissen zu den Themen Wirtschaft und Geld. Um das Bildungsdefizit auszugleichen, führen einige Länder nun einen „Finanz-Führerschein“ ein. Dieser soll den Kindern Themen wie Inflation und Zinsen nahebringen.
Mit Computern und neuen Technologien kennen sich die meisten Jugendlichen aus – mit ihnen können sie auch problemlos umgehen. Hingegen zeigt eine Umfrage, dass 44 Prozent der 14- bis 24-jährigen Befragten, mit dem Begriff Inflationsrate nichts anzufangen weiß. Dabei wissen zwei Drittel nicht, was die Europäische Zentralbank macht und 31 Prozent können nicht erklären, was eine Aktie ist.
In anderen EU-Ländern sieht es tatsächlich ähnlich aus: In Österreich haben 35 Prozent der Menschen Probleme damit, die Inflation korrekt zu beschreiben, erklärt Finanzminister Gernot Blümel. Das heißt, dass vor allem junge Leute bei Finanzfragen schlichtweg überfordert sind. Jeder vierte Kunde einer Schuldnerberatung in Österreich ist jünger als 30 Jahre.
Österreich wagt den ersten Schritt
Österreich ist sich den Defiziten bewusst und möchte künftig den Mangel an Finanzwissen beheben. Um die Finanzkompetenz also zu stärken entwickelte die österreichische Regierung eine Finanzbildungsstrategie. Dabei wird ein konkretes Ziel verfolgt – die österreichischen Bürger sollen sich nicht weiter verschulden. Dieses Jahr ist ein Finanzportal online gegangen, dass eine Reihe von Informationen aus der Finanzwelt subsumiert. Auf diesem Portal lässt sich ein sogenannter „Finanz-Führerschein“ ablegen, der eventuell als Zusatzqualifikation bei Bewerbungsprozessen dienen könnte. Durch den Führerschein sollen überwiegend Kinder und Jugendliche den verantwortungsvollen Umgang mit Geld kennenlernen.
Andere EU-Länder wollen nachziehen
Allen voran engagieren sich aber nun auch Schweden, die Niederlande, Portugal und Polen für Finanzbildungsstrategien. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte eine globale Agenda zur Förderung der Kompetenz beim Thema Finanzen offen. Bereits über 150 Länder sollen die Empfehlungen der Agenda befolgt haben.
Deutschland ist hinterher
Die Bundesrepublik hielt sich bisher zum Thema Finanzkompetenz zurück. Angela Merkel und die vorherige Koalition sahen keinen Bedarf, um die Bildungslücke zu stopfen. Zusätzlich legt aber auch die jetzige Koalition keinen Schwerpunkt auf die Finanzwelt.
Und das alles, obwohl die Experten überwiegend einer Meinung sind: Deutschland hat Nachholbedarf in Sachen Wirtschafts- und Finanzbildung. Deutschland sei das einzige Land der OECD, das bis jetzt keine eigene Strategie für Finanzbildung hat. Um den Anschluss nicht zu verpassen haben schon einige Bundesländer wie Baden-Württemberg, Niedersachen und Schleswig-Holstein entscheidende Schritte gemacht. Hier findet ökonomische Bildung bereits Platz in der Semesterplanung.
Die Schulen sind schuld
Fondsgesellschaften und zahlreiche Banken veröffentlichen regelmäßig Umfragen zur Finanzkompetenz der Bürger. Es stellte sich heraus, dass nur knapp jeder Fünfte der 18- bis 29-Jährigen gut oder sehr gut im Themengebiet Geld Bescheid weiß. Dabei geben die Befragten der Forsa Umfrage den Schulen die Schuld. Sie behaupten, sie hätten während der Schulzeit in Sachen Wirtschaft nicht viel gelernt.
Um das Defizit der Finanzbildung in Deutschland so gut wie möglich zu bewältigen, bildeten sich einige private Initiativen, die bei der Aufklärung an Schulen helfen sollen. Das Bündnis für ökonomische Bildung setzt sich so für mehr ökonomische und finanzielle Bildung in Deutschlands Schulen ein. Bei Wirtschafts- und Finanzkompetenzen soll in erster Linie das Verstehen logischer, ökonomischer Zusammenhänge im Vordergrund stehen – dazu gehören beispielsweise Funktionsweisen der Marktwirtschaft, aber auch ethische Fragen zur Nachhaltigkeit.
Der „Börsen-Führerschein“
Weiter verbreitet als der „Finanz-Führerschein“ ist der sogenannte „Börsen-Führerschein“. Studentische Initiativen entwickelten solch einen Führerschein nach der Idee der Börsenexpertin Beate Sander. So starteten bereits einige Pilotprojekte zum Börsenführerschein.
Die Initiativen zum „Börsen-„ und „Finanz-Führerschein“ häufen sich und während der Corona-Pandemie konnten sich Neo-Broker über neue Kunden und Kundinnen freuen. Das heißt Finanzwissen wird immer mehr zum Trend – ob dieser dauerhaft ist, wird sich in Zukunft zeigen.
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