Europa soll zum ersten klimaneutralen Kontinent werden

Mit dem „European Green Deal“ will die Europäische Union Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum anregen.

Nach dem Vorbild des „New Deal“ des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt hat die EU den „Green Deal“ entwickelt. Damit sollen nicht nur weitere Schritte im Klimaschutz getan werden, sondern zugleich auch die Entwicklung der Wirtschaft vorangetrieben werden. „European Green Deal“ nannte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Programm. Damit soll Europa weltweiter Vorreiter bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen werden, sowie eine klimagerechte und nachhaltige Wirtschaft voranbringen.

Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Erde werden und der Green Deal soll den Kontinent ins klimagerechte Zeitalter führen. „Der European Green Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie“, sagte von der Leyen bei der Präsentation des Plans im Dezember 2020 und fügte hinzu: „Indem wir dem Rest der Welt als Vorbild für Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit dienen, können wir auch andere Lände überzeugen, mit uns gleichzuziehen.“ Wie und mit welchem Mitteln der Plan umgesetzt werden soll, steht bislang noch nicht fest. Die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament verhandeln derzeit die Bedingungen. Neben dem Green Deal fördern auch die Corona-Konjunkturprogramme der EU-Länder den Klimaschutz. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf dem Gebäudesektor.

„Ohne Sanierung der Gebäudehülle bleiben die Klimaziele unerreichbar“, erklärte Christian Stolte, Leiter des Gebäudebereichs bei der Deutschen Energie-Agentur dena, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Das Konjunkturpaket 2020/21 der Bundesregierung sei laut Stolte vor allem auch ein Hilfspaket für die Baubranche, denn „die Förderung wurde damit massiv erhöht, es wurden viele für den Gebäudebereich wichtige und gute Maßnahmen beschlossen.“  Mit dem Klimapaket, das bereits vor Corona verabschiedet wurde, standen 50 Milliarden Euro für energetische Maßnahmen zur Verfügung. Nun kommen weitere 40 Milliarden aus dem Corona-Konjunkturprogramm dazu. Stolte begründete dies mit der steigenden Nachfrage „nach den Förderinstrumenten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und der KfW“. Bisher wurden als Maßnahme die Förderung für Dämmmaßnahmen von 10 auf 20 Prozent erhöht. Hinzu kam, dass „alternativ zur Förderung die Investition steuerlich geltend gemacht werden kann.“

Aus geopolitischer Perspektive profitiert die EU von einem geringeren Energiebedarf im Gebäudesektor, da der Bedarf an Heizwärme sinken würde und somit weniger Erdgas-Import aus dem Ausland von Nöten wären. Muss weniger importiert werden, gewinnt Europa an Handlungsspielraum. Jedoch werden jährlich lediglich 0,4 bis 1,2 Prozent der Gebäude in den EU-Mitgliedstaaten energetisch saniert. „Diese Quote muss sich mindestens verdoppeln, damit die Energieeffizienz – und Klimaziele der EU erreicht werden“, ging aus dem Green Deal hervor. Es geht jedoch nicht nur um geopolitische, sondern vor allem auch um sozialpolitische Ziele. Der Fokus liegt dabei auch auf der Sanierung von öffentlich gefördertem Raum. Laut Kommission haben viele Bürgerinnen und Bürger Probleme damit, ihre Wohnungen ausreichend zu beheizen.

Als vielversprechende Innovation gilt das „serielle Sanieren“. „Bei dieser Bauweise, die von Digitalisierung und Automatisierung profitiert, wird vorab das Gebäude vermessen und dann große Teile der Fassade vorproduziert, die bereits Technik enthalten kann. Wir denken dabei an ein Komplettprodukt zur energetischen Ertüchtigung des gesamten Gebäudes, das aus Gewerken wie Fenstertausch, Fassadendämmung und der Erneuerung der Heizungsanlage besteht. Das könnte die Rüstzeiten deutlich reduzieren und die Kosten für die Sanierung senken. Das Ziel dieser Sanierungen lautet auch „Net Zero“, das heißt, die Gebäude erzeugen am Ende durch Photovoltaik so viel Energie, wie sie verbrauchen“, erklärte Stolte. In Deutschland ist serielles Sanieren bereits ein Thema. „Ende vergangenen Jahres haben wir dabei einen Meilenstein erreicht und zusammen mit dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen den „Volume Deal“ vereinbart. Mehrere Unternehmen bündeln ihre Nachfrage und stellen 17 000 Wohnungen bereit, die in den nächsten vier Jahren seriell saniert werden sollen“, teilte Stolte mit.

Wichtig bei der klimagerechten Sanierung seien nicht nur Maßnahmen zum Klimaschutz, sondern auch solche, die die Nachfrage stärken. „Viele Bauunternehmen sind mit vollen Auftragsbüchern in die Krise gestartet. Aber dieser Puffer schmilzt bei Bauunternehmen, Herstellern, Handwerk und Planern hin“, erklärte Anders Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Das Corona-Konjunktur-Programm der Bundesregierung sei ein guter Anfang dafür – das Programm für die Gebäudesanierung für 2020/21 wurde um je eine Milliarde Euro auf 2,5 Milliarden Euro aufgestockt.