Lobbyregister: Was bringt es und warum ist es nötig?

Auf jeden Bundestagsabgeordneten kommen 8 Lobbyisten, das war bisher bekannt. Doch erst der Fall Philipp Amthor lässt jetzt die Forderung nach einem verbindlichen Lobbyregister neu aufleben. Wie kann diese Arbeit aus ihrem Schattenreich geholt werden?

Philipp Amthor, Julia Klöckner, Sigmar Gabriel, Friedrich Merz – das sind nur einige Namen aus dem Berliner Politikbetrieb, denen Lobbyismus vorgeworfen wird. Im Herbst 2020 will die Große Koalition ein verbindliches Lobbyregister einführen, um Transparenz ins Dschungel von Interessenarbeit zu bringen. Dazu hat sich die Koalition auf erste Eckpunkte geeinigt. Ein fragwürdiges Thema, denn Lobbyisten nutzen ihren politischen Einfluss und ihre Verbindungen, um Wirtschaftsunternehmen einen Vorteil zu verschaffen, den andere Mitbewerber nicht haben.

Seit 2010 existiert eine öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern, welche ca. 2100 Verbände registriert hat. Leider ist diese Liste bis jetzt nicht verbindlich und auch die Definition des Wortes „Verband“ umfasst nicht alle Spielarten des Lobbyismus. So wurde bereits in der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (2005–2009) die Forderung nach Einrichtung eines verpflichtenden Lobbyregisters formuliert. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Partei Die Linke waren sich in diesem Vorhaben einig, doch passiert ist erst 11 Jahre später mehr.

Die Debatte über den Einfluss auf Parlamentarier hatte durch den Fall Amthor an Fahrt gewonnen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor steht wegen enger Kontakte zu dem dubiosen IT-Unternehmen Augustus Intelligence in der Kritik. Er soll um politische Unterstützung für die Firma geworben haben, das ihm nach Recherchen des „Spiegel“ Aktienoptionen und Gefälligkeiten eingeräumt hatte. Amthor wies Korruptionsvorwürfe zurück, räumte aber einen Fehler ein. Das Unternehmen, das im Bereich der künstlichen Intelligenz tätig ist, hat vor allem in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt. Zum einen wegen der engen Verbindungen zu Ex-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und angeblich auch zu Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen, zum anderen und insbesondere aber wegen der angeblichen Lobbyistentätigkeit des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor. Amthor kämpft angesichts der Affäre um seine Karriere. Er erklärte, diese und weitere Nebentätigkeiten beendet zu haben. Zudem verzichtete er auf eine Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern.

Drei von zehn Abgeordneten haben einen bezahlten Nebenjob, die meisten von ihnen sind Juristen. Auf jeden Bundestagsabgeordneten kommen 8 Lobbyisten, die versuchen die Gesetzgebung zu steuern. Mit dem verbindlichen Lobbyregister soll der Einfluss von Unternehmen und Verbänden auf die Politik transparenter werden, wenn Interessenvertreter sich dann künftig registrieren lassen müssen.

Das Problem sind auch die Prozesse, mit welchen Hausausweise für Lobbyisten zugänglich gemacht werden: 575 von ca. 2100 Lobbygruppen sind im Besitz dieses Türenöffners für den Bundestages. Doch auch die parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen konnten in der Vergangenheit in einem geheim gehaltenen Prozess Hausausweise ausstellen.

Als eines der aktivsten Lobby-Zusammenschlüsse gilt „Das Collegium“, welches mit Stand 2015 Lobbyisten von insgesamt 46 internationalen Unternehmen und Verbänden in Berlin assoziiert. Das Collegium ist ein informeller Kreis, der sich aus den Leiterinnen der Berliner Repräsentanzen deutscher und ausländischer Großunternehmen zusammensetzt. „Das Collegium stellt geballte Lobbymacht dar, der sich kein Minister und kein Staatssekretär verweigern kann,“ verriet Ex-Collegium-Chef und TUI-Repräsentant Wolf-Dieter Zumpfort einmal. Die Dienstwagensteuer, so brüstet sich ein anderer, „wurde im Collegium versenkt“.

Ab dem Jahr 2015 gab es hier Neuerungen und es wurden die Anzahl und Namen der Lobbyisten veröffentlicht, welche über Hausausweise verfügten.  Doch ab 2016 entschied der Ältestenrat des Bundestages, dass Lobbyisten in Zukunft keine Hausausweise mehr bekommen werden. Somit können in Zukunft Wirtschaftsvertreter des Chemie-Konzerns BASF, der Rüstungsfirmen Diehl und Krauss-Maffei-Wegmann, der Energieversorger Eon, EnBW und RWE, von Facebook, dem Tabakkonzern Reemtsma oder dem Ölförderer Shell nicht mehr einfach bei den betreffenden Ausschussvorsitzenden anklopfen. Diese Entscheidung betraf 1111 Vertreter von Unternehmen, Verbänden, Agenturen oder Anwaltskanzleien.

Die bestehenden Regeln, wie z.B. über die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, Nebeneinkünfte der MdB oder die 18 Monate Wartezeit beim Wechsel in die freie Wirtschaft sind schon wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch Lobbyismus muss noch transparenter werden. Präsenz zu zeigen bedeutet für die Garde der Lobbyisten gleich Macht. Gerade in Lobby-Bereichen wie in der Pharmaindustrie und die Energiewirtschaft gilt: „Wer nicht mit am Tisch sitzt, befindet sich auf der Speisekarte“.

Wie wird der Lobbyismus der Zukunft aussehen? Je unterschiedlicher die Perspektiven zu einem Thema sind, desto fairer wird der Meinungsbildungsprozess in einer Demokratie. So kämpft der Gründer der Plattform Welobby, Jan Christian Sahl,  dafür, dass jeder ohne Lobby auch gehört wird und bietet Non-Profit-Organisationen eine Lobby-Plattform. Somit entsteht mehr Chancengleichheit im Lobbyismus.

Die SPD hatte sich seit Jahren für ein Lobbyregister eingesetzt und nach der Affäre um Amthor ihrer Forderung Nachdruck verliehen. Auch die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne hatten bereits Anträge zu einem solchen Register vorgelegt. Für die SPD ist es ein Durchbruch. „Wir haben eine Lösung gefunden, die deutlich mehr Transparenz herstellt, ohne dass wir den wichtigen Kontakt zu Abgeordneten erschweren“, sagte Dirk Wiese, Fraktionsvize der Sozialdemokraten. Verstöße gegen die Registrierungspflicht würden mit Bußgeldern bestraft – Details hierzu sollen nach der parlamentarischen Sommerpause geklärt werden.