Indische Bauern gehen auf die Straßen

Die indischen Bürgerinnen und Bürger leiden unter der Wirtschaftskrise. Hinzu kommen die Lockdown-Maßnahmen, die unter dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi verabschiedet wurden. Die Bauern bangen um ihre Existenz.

Indien leidet unter der Rezession. Erstmals seit Jahrzehnten geht die Wirtschaftsleistung in großem Ausmaß zurück. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie verzeichnete Indien positive Zahlen, doch die Wirtschaftsleistung ist seit Anfang des Jahres rückläufig. Zwischen Juli und Ende September schrumpfte die Wirtschaftsleistung um weitere 7,5 Prozent in Relation zum Vorjahr. Im Vorquartal wurde sogar ein Rückgang um 23,9 Prozent verzeichnet.

Hinzu kommt, dass Indiens Bauern sich gegen die Reformen des Agrarwesens auflehnen, die die Regierung unter Modi beschlossen hatte. Die Arbeitslosigkeit auf dem Land wächst. Mit der scharfen Corona-Politik der Regierung und dem Lockdown seit Ende März spitzt sich die Lage weiter zu. Die Bauern blockieren nun die Einfallstraßen nach Delhi. Die indische Polizei versuchte die wütenden Bürgerinnen und Bürger gewaltsam zu stoppen. Wasserwerfer wurden eingesetzt sowie ein Graben quer durch die Straßen ausgehoben. Gestoppt werden konnten sie zwar, zurückgetrieben wurden sie jedoch nicht.

Die Opposition nutzt Indiens Wirtschaftskrise zu ihrem Vorteil. Der Oppositionsführer Rahul Ghandi nutzte die Rezession, um die hindunationalistische Regierung zu kritisieren: „Unter Ministerpräsident Modi steck die indische Volkswirtschaft erstmals überhaupt offiziell in einer Rezession.“ Offiziell deshalb, da Indien erst seit dem Jahr 1996 offiziell die Zahlen des Wirtschaftswachstums veröffentlicht und seitdem auch bislang nur positive Werte verzeichnet hat. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die indische Wirtschaft bereits im 1991 während der großen Wirtschaftskrise zurückging. Analysten rechnen für 2020 mit einem ersten Schmelzen der Volkswirtschaft Indiens über ein gesamtes Jahr.

Ghandi betonte zudem: „Wichtiger ist noch, dass 30 Millionen Menschen immer noch eine Beschäftigung unter MGNREGA suchen.“ Damit ist der „Mahatma Ghandi National Rural Employment Guarantee Act“ gemeint, eine Beschäftigungsgarantie für die Landbevölkerung. Vor allem dort hatte die Arbeitslosigkeit rapide zugenommen, da Millionen Wanderarbeiter aufgrund des unerwarteten Lockdowns aus der Stadt zurück aufs Land getrieben wurden.

Doch nicht nur deswegen gehen die indischen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße. Die Regierung hat die Gesetze zu Verkauf, Preisbildung und Lagerhaltung der landwirtschaftlichen Produkte gelockert. Bislang haben die Bauern ihre Produkte auf Märkten verkauft, auf denen die Regierung die Preise kontrolliert und einen Mindestertrag garantiert hatte. Die neuen Gesetze sehen jedoch vor, dass die Landwirte ihre Produkte ohne den bisherigen Zwischenschritt über sogenannte Mittelsmänner auch direkt an private Unternehmen, wie Agrar-Handelsbetriebe oder Supermarktketten, verkaufen dürfen.

Dies führt dazu, dass die Kleinbauern nicht mehr die garantierten Preise der Einkäufer der Regierung bekommen. Die Angst ist groß, dass der offene Wettbewerb in Zukunft insbesondere die Einnahmen für Grundnahrungsmittel wie Linsen oder Weizen verringert. Lediglich die Großbauern könnten fortbestehen, da diese weitaus höhere Erträge erzielen und zudem auch von Agrochemie-Konzernen gefördert werden.

Der Verwaltungsbeamte Jitender Sain verteidigt die Schritte der indischen Regierung. In einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur erklärte er, dass die neuen Gesetze die Lage der Bauern verbessern würden. Sie bekämen dadurch eine Alternative, die zu ihrem Vorteil sei, denn durch den Wettbewerb stiegen die angebotenen Preise. Früher hatte es nur einen gegeben, der ihre Produkte abkaufte – jetzt gebe es viele. Dementsprechend argumentierte auch die Regierung unter Modi. „Die neuen Gesetze sind ein Sprungbrett zur Modernisierung der indischen Landwirtschaft, aber das Ergebnis wird nicht sofort kommen“, teilte der Regierungsberater, Asho Gulati, mit.


Die Bauern sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Tausende Farmer aus den drei Kornkammern Punjab, Haryana und Uttar Pradesh haben sich deshalb vor den Toren Delhis versammelt. Falls nötig würden sie dort über Monate hinweg kampieren. Ähnlich wie die Bauern fürchten auch die Mittelsmänner um ihre Existenzen. Sie leben von der Vermittlung zwischen den Bauern und den Kunden. Aus Sicht von Devinder Sharma, einem unabhängigen Agrarexperten, spielen die Zwischenhändler eine zentrale Rolle für das Wohlergehen der Bauern. Laut Sharma bestehe eine symbiotische Beziehung zwischen den beiden, und für die meisten Bauern seien „Zwischenhändler wie Geldautomaten“.