Im französischen Cadarache hat der Bau eines Testreaktors für die Kernfusion begonnen. Das internationale Milliardenprojekt soll die Lösung für umweltfreundliche Energiegewinnung werden. Kernfusion, statt Kernspaltung.
Nach rund 10 Jahren Vorbereitung und Forschung sind nun alle wichtigen Baukomponenten in Südfrankreich angekommen, um den Prototypen des Tokamak-Reaktors zu bauen. Ein historischer Moment, sagte Iter-Generaldirektor Bernard Bigot. Der Kernfusionsreaktor ist ein internationales Projekt, an dem sich 35 Länder beteiligen, darunter sämtliche EU-Mitgliedstaaten, China, Indien, Großbritannien, die Schweiz, Russland, Japan, Südkorea und die Vereinigten Staaten von Amerika.
Der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) soll demonstrieren, wie aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewonnen werden kann. Bisher wurde Energie aus der Spaltung von Atomkernen in den herkömmlichen Atomkraftwerken gewonnen. ITER soll eine klimafreundliche und nahezu unbegrenzte Energiequelle werden und laut Berechnungen der Wissenschaftler mindestens das Zehnfache der ursprünglich aufgebrachten Heizleistung erzeugen. Damit wäre ITER der erste Reaktor, der mehr Energie erzeugt, als in ihn investiert wurde.
Dahinter steckt der Prozess der Atomschmelze, der im Innern der Sonne stattfindet. „Atome ruhen nie: je heißer sie sind, desto schneller bewegen sie sich. Im Kern der Sonne, wo die Temperaturen 15.000.000 °C erreichen, befinden sich die Wasserstoffatome in einem konstanten Zustand der Bewegung. Wenn sie mit sehr hohen Geschwindigkeiten zusammenstoßen“ verschmelzen die Atome, beschreibt die Webseite des Projekts und fügte hinzu: „Die Fusionswissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts identifizierte die effizienteste Fusionsreaktion im Labor als die Reaktion zwischen den beiden Wasserstoff (H)-Isotopen Deuterium (D) und Tritium (T). Die DT-Fusionsreaktion erzeugt den höchsten Energiegewinn bei den „niedrigsten“ Temperaturen. Dennoch benötigt sie Temperaturen von 150.000.000 Grad Celsius – zehnmal höher als die in der Sonne stattfindende Wasserstoffreaktion.“
Die irdische Sonne soll nach Fertigstellung die Höhe eines vierstöckigen Wohnhauses haben. Der Kern des Fusionsreaktors hat eine Höhe von 30 Metern und einen Durchmesser von 40 Metern. Optisch gleicht der Reaktor einem riesigen, reifenartigen Gefäß. Im Inneren von ITER soll das Fusionsfeuer auf eine Temperatur von 150.000.000 °C gebracht und gehalten werden, um zu belegen, dass die Kernfusion nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch beherrschbar ist und diejenige Energie gewonnen werden kann, die von den Forschern errechnet wurde.
Das Motiv dahinter sei laut Bigot die „tiefe Überzeugung …, dass wir uns nicht allein auf Wind, Sonne und Wasserkraft verlassen können. Wir brauchen eine Ergänzung, eine Energieform, die beständig und in großem Umfang produziert werden kann. Der große Vorteil der Kernfusion ist, dass sie keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima hat. Die potenziellen Vorteile sind so beträchtlich, dass es meiner Meinung nach Sinn macht, Geduld aufzubringen.“ Geduld aus dem Grund, dass das Projekt ITER erst in einige Jahrzehnten nach langen Testphasen tatsächlich als klimafreundliche Methode zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Kritiker bemängeln, dass ITER damit nicht zur Lösung der akuten Klima- und Umweltprobleme beiträgt und sehen aufgrund dessen in dem Projekt ein „finanzielles Fass ohne Boden“ und ein „wissenschaftliches Trugbild“. Der Zeitplan für den Bau habe sich bereits nach hinten verschoben und die Kosten haben sich inzwischen auf 20 Milliarden Euro verdreifacht.
Frühestens Ende 2025 kann ITER seinen Betrieb aufnehmen. Bis 2035 soll der Fusionsreaktor seine volle Leistung entfalten. Allerdings ist ITER nur ein Testreaktor, der wertvolle Erkenntnisse für den Bau und die Funktion des eigentlichen Reaktors DEMO erbringen soll. Sollten die Ergebnisse und Berechnungen der ITER-Forscher stimmen, könnte der eigentliche Fusionsreaktor nach dem Vorbild des ITER frühestens 2060 zur Energiegewinnung genutzt werden. Das ist eine lange Zeit, die hoffentlich dafür genutzt wird, um die alternativen Energiequellen auszubauen und den weltweiten Klimazielen weiter entsprechen zu können.
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