Taliban dringen immer weiter vor

Nachdem nun auch die Vereinigten Staaten ihre Truppen aus Afghanistan vollständig abziehen werden, erobern die Taliban nun immer mehr Gebiete. Zuletzt kam es zu heftigen Kämpfen zwischen der Terrorgruppe und den Truppen der Regierung. Trotz der gefährlichen Lage in Nahost bezieht Kanzlerkandidat Armin Laschet klar Stellung: Straffällige werden abgeschoben.

Die Taliban sind auf dem Vormarsch. Bislang waren hauptsächlich kleinere Gebiete das Ziel der islamistischen Terrorgruppe. Seit dem Frühjahr 2021 war es ihnen möglich zahlreiche Distrikte zu erobern und Teile mehrerer Hauptverbindungsstraßen zu kontrollieren. Die größeren Hauptstädte wurden bisher nur eingekreist und nie direkt angegriffen. Doch seit vergangenem Freitag dringen die Taliban in mehrere Orte ein, wobei es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Truppen der Regierung kam. Hinzu kam, dass die Terrorgruppe in mehrere Orte gleichzeitig eindrang. Das offensive Vorgehen der Taliban ist somit nicht einfach willkürlich, sondern bewusst abgestimmt.

Besonders gravierend ist die Lage im Süden des Landes. Die radikalislamische Gruppe hatte dort zuletzt den Flughafen der südafghanischen Stadt Kandahār mit mehreren Raketen heftig beschossen. Mindestens drei Raketen schlugen am vergangenen Samstagabend auf dem Flughafen ein, teilte der Flughafenleiter Massud Paschtun mit. Alle Flüge waren umgehend gestrichen und der Betrieb vorübergehend ausgesetzt worden. Doch nach Aussagen von Paschtun soll der Betrieb eventuell Ende dieser Woche wieder aufgenommen werden. Ein Sprecher der Taliban bestätigte die Anschläge. Ziel sei gewesen, weitere Angriffe der Regierung gegen Stellungen der Taliban zu verhindern. Der Flughafen in Kandahār war dafür als Zentrum genutzt worden, wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters erklärte.

Die afghanische Regierung hatte am vergangenen Samstag einen Luftangriff auf ein Krankenhaus ausgeführt. Das Krankenhaus in der südlichen Stadt Laschkar Gah in der Provinz Helmand war nach offiziellen Angaben von den Taliban eingenommen worden, um ihre Verletzte dort zu behandeln. Bei dem Angriff kam ein Mensch ums Leben, das Krankenhaus selbst wurde gänzlich zerstört.

Doch nicht nur in Kandahār kam es zu Gefechten. Auch am Rande der westafghanischen Stadt Herat kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und den Truppen der Regierung. Die Menschen flüchteten daraufhin aus ihren Häusern in Richtung Stadtzentrum, um Schutz zu suchen. Laut des Gouverneurs von Herat, Abdul Saboor Kani, fanden die meisten Kämpfe in den Bezirken Indschil und Gusara statt. „Wir gehen vorsichtig vor, um Opfer in der Zivilbevölkerung zu vermeiden“, so Kani.

Das offensive Vorgehen der radikalislamischen Taliban wird unter anderem auf den Rückzug der ausländischen Truppen zurückgeführt. Seit dem Beginn des Abzugs internationaler Truppen war es den Taliban möglich gewesen viele Gebiete des Landes zurückzuerobern. Deutschland hat seine Truppen bereits abgezogen. Die USA beenden ihre Mission in Afghanistan in den kommenden vier Wochen zum 31. August 2021. Doch angesichts des Vormarsches der Taliban waren wieder verstärkt Luftangriffe ausgeführt worden. Die afghanische Regierung hatte deshalb auch am vergangenen Wochenende eine Ausgangssperre in allen Städten des Landes veranlasst. Die Vereinten Nationen warnen vor einem dramatischen Anstieg der zivilen Opfer und fordern ein Ende der Gewalt.

Trotz der gefährlichen Lage in Afghanistan hat CDU-Vorsitzender Armin Laschet angekündigt, Straftäter zurück nach Afghanistan zu schicken. „Wir beobachten die Situation in Afghanistan sehr genau. Den Vormarsch der Taliban und die Folgen für die Bevölkerung können wir nicht ignorieren. Die Lage erfordert daher eine fortlaufende Bewertung und sorgsames Vorgehen bei Rückführungen. Aber unsere Linie bleibt klar: Wer in Deutschland straffällig wird, hat sein Gastrecht verwirkt“, teilte Laschet gegenüber der Bild-Zeitung mit. Ähnlicher Ansicht ist Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Wir verhandeln gerade mit Afghanistan, damit wir Straftäter weiterhin dorthin abschieben können“, sagte er gegenüber der Bild am Sonntag und fügte hinzu: „„Wie will man denn verantworten, dass Straftäter nicht mehr in ihr Heimatland zurückgeführt werden können?“, fragte er. „Wir müssen auch überlegen, ob es Möglichkeiten gibt, die freiwillige Ausreise noch zu verstärken. Wenn ein Inhaftierter einen Teil seiner Strafe erlassen bekommt, reist er vielleicht freiwillig aus.“

Der Konflikt in Afghanistan dauert nun schon 20 Jahre an. Der Beginn der internationalen Militäreinsatzes hatte 2001 zum Sturz der damaligen Taliban-Herrschaft geführt. Mit dem Rückzug aller westlichen Truppen kann die radikalislamische Gruppe nun wieder aufsteigen.