Debatte über Mehrwertsteuer: Gibt es Steuersenkungen gegen teure Lebensmittel?

Aufgrund der steigenden Inflation wird gefordert, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken. Doch wen würde diese Entscheidung wie stark entlasten und warum wird die Umsetzung schwierig?

Vor Kurzem erreichte die Inflation den höchsten Stand seit fast 50 Jahren. Besonders ärmere Haushalte kämpfen mit der Teuerung. Doch ob eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für eine Entlastung sorgen würde, bleibt unklar. Das Umweltbundesamt, der VdK, die CSU, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und die Linkspartei sind dafür, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken. Das, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und aus unterschiedlichen Gründen – den einen geht es mehr um eine schnelle Entlastung angesichts der Inflation, den anderen um ökologische Aspekte.

Mehrwertsteuersenkung auf Null

Die EU-Kommission änderte Anfang April die europäische Mehrwertsteuerrichtlinie. Vor diesem Hintergrund ist neben dem regulären Mehrwertsteuersatz auch ein Nullsteuersatz auf lebensnotwendige Güter möglich. Kurz nach dieser Entscheidung gab es die ersten Forderungen, diese Möglichkeit zu nutzen um die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die aktuell in der Regel bei sieben Prozent liegt, ganz zu streichen. Diese Maßnahme entpuppte sich als schnelle Möglichkeit, die Bürger zu entlasten. Dieser Vorschlag stößt in der Bevölkerung auf große Zustimmung – drei Viertel der Befragten zeigen sich in einer Umfrage positiv.

Nahrungsmittel sind nicht gleich Nahrungsmittel

Die Forderungen der Befürworter unterscheiden sich aber auch mitunter. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, hat „gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milchprodukte, Mehl und Nudeln“ im Blick, spricht aber zur selben Zeit auch von „Dingen, die man für den täglichen Bedarf benötigt“. Die Linke und die CSU forderte im Bundestag die Senkung auf Null für „Grundnahrungsmittel“, ohne diese näher zu spezifizieren. Doch von der Konkretisierung hängt ab, wie hoch die Steuerausfälle für den Bund im Vergleich zur Entlastung für die Bürger ausfallen würde.

Das Umweltbundesamt und Umwelt-Organisationen sind zwar für eine Veränderung, aber gegen einen pauschalen Verzicht auf die Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln. „Wir sollten die Entlastung für die Bürger so anlegen, dass wir die soziale Komponente einlösen, aber zugleich umweltpolitisch vernünftig handeln“, erklärt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes. Unter seiner Leitung schlägt die Behörde vor, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen und auf der anderen Seite die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wie Fleisch und Milch auf 19 Prozent zu erhöhen. Dieses Argument entspringt aus umweltpolitischen Gründen: Für ein Kilo Gemüse oder Obst würde etwa ein Kilo Treibhausgase aufgewendet, die Produktion eines Kilos Fleisch, Wurst und von Milchprodukten sei mit Treibhausemissionen zwischen sieben und 28 Kilo verbunden. Die Kritik an diesem Vorschlag ertönte aber lautstark und schnell: Wieso eine Ananas aus Südamerika steuerlich bessergestellt werden solle als Fleisch aus regionaler Erzeugung, sei absurd.

Steuerausfälle in Milliardenhöhe

Welche Lebensmittel im Fall einer Veränderung der Mehrwertsteuer in welche Kategorie fällt, bleibt aber nicht die einzige Kritik. Mit einem kompletten Verzicht auf die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wäre auch eine geringere Steuereinnahme von zwölf bis 13 Milliarden Euro verbunden. Eine Entlastung in dieser Höhe müsse zielgenau erfolgen, so die Vertreter der Ampel-Koalition in einer Bundestagsdebatte zum Thema: „Das Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Deswegen müssen wir genau überlegen, welche Maßnahmen helfen“, erklärt der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf.

Befürworter Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), betonte, wie sehr eine Steuersenkung in dieser Form ärmere Haushalte unterstützen könnte. Diese müssen nämlich einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel als reichere Haushalte aufwenden. CDU-Haushaltspolitiker Fritz Güntzler erklärt, dass die Veränderung in absoluten Zahlen allerdings anders aussähe als gedacht: Mit einem kompletten Verzicht auf die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel würden ärmere Haushalte jährlich mit 74 Euro entlastet, ein reicherer Haushalt dagegen mit ca. 180 Euro.