Corona-Krise verschärft die Lage auf dem Ausbildungsmarkt

Die Corona-Pandemie verschlechtert die Lage auf dem Ausbildungsmarkt zunehmend. Die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge sinkt deutlich. Die Prognose: Auf lange Sicht verschärfe sich der Fachkräftemangel.

Im Zuge der Corona-Krise und der daraus resultierenden Rezession standen viele Unternehmen vor der Herausforderung schnell und effizient umstrukturieren zu müssen. Eine Isolation der Bevölkerung und strenge Kontakteinschränkungen zwangen sie dazu, auf digitale Alternativen umzusteigen, um sich weiterhin auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können. Damit einher ging ein Personalab- und -umbau, der sich in einer Reduktion des Ausbildungsangebots äußerte. Davon betroffen seien vor allem Ausbildungsplätze in der Gastronomie und Hotellerie, aber auch im Friseurhandwerk, Maschinenbau und der Betriebstechnik. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) meldeten die Unternehmen den Arbeitsagenturen im Juli dieses Jahr nur 475.000 mögliche Ausbildungsplätze. Dies entspricht 8 Prozent weniger, als im vergangenen Jahr. Die Langzeitauswirkungen der Pandemie auf den Ausbildungsmarkt sind noch unklar. Eine Analyse des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) übermittelte der Frankfurter Allgemeine Zeitung vor der Veröffentlichung ihre Analyse mit der Prognose, dass die Folgen der Corona-Krise sich langfristig in einem Abbau von Ausbildungsplätzen bemerkbar machen werden.

Basierend auf den Erfahrungen nach der Finanzkrise 2008 und 2009 geht das FiBS außerdem davon aus, dass die Anzahl an neuen Ausbildungsverträgen bis zum Jahr 2027 auf 435.000 sinken wird, denn auch vor 12 Jahren verringerte sich das Ausbildungsangebot nicht nur einmalig, sondern langfristig, wie Studienautor und Institutsdirektor Dieter Dohmen erklärte. Auch wenn die Ausbildungsplätze seitdem aufgrund der starken Zuwanderung wieder leicht angestiegen sind, konnte der Rückgang von 2008 nicht mehr aufgeholt werden.

Dem geringeren Angebot an Ausbildungsplätzen kommt zugleich eine geringere Nachfrage junger Menschen hinzu. Viele Menschen suchen aufgrund schlechter Ausbildungschancen nach Alternativen. Neben einem Studium entschieden sich viele Jugendliche dafür, statt einer Ausbildung ihre Hochschulreife zu erwerben. Laut einer Umfrage des statistischen Bundesamtes am Anfang der Jahrhundertwende war die Anzahl mit 1,7 Millionen Auszubildenden und 1,9 Millionen Studierenden noch halbwegs ausgeglichen. Knapp 20 Jahre später gibt es bundesweit fast 3 Millionen immatrikulierte Studierende, aber nur noch rund 1,3 Millionen Auszubildende. Die Corona-Pandemie verstärkt diesen Trend. Wenig verwunderlich, wenn bedingt durch die Kontaktbeschränkungen Unterricht entfällt oder Gesellenprüfungen abgesagt werden. Weiterhin stellt die Insolvenz vieler Betriebe die Auszubildende vor die Herausforderung, ihre Lehre nicht beenden zu können. Ein Studium, dass auch online absolviert werden kann, ist für viele eine Alternative.

Hinzu kommt, dass die berufliche Situation aktuell schwer vorauszusagen ist. Viele Jugendliche fragen sich, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, 2020 eine Ausbildung anzufangen. Dazu äußerte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), dass die Betriebe in den letzten Monaten zwar vor großen Herausforderungen gestanden hatten, sich jedoch die Chancen auf einen Wunschausbildungsplatz oder -betrieb keineswegs verringert hätten. Der Ausbildungsmarkt stehe ganz oben auf der Agenda, um einer Verschärfung des Fachkräftemangels entgegenzuwirken. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) geht jedoch davon aus, dass sich die Prozesse auf dem Weg in die Ausbildung um rund zwei bis drei Monate verzögern werden.

Um langfristige negative Auswirkungen zu verhindern, ist es dringend notwendig Vorkehrungen zur Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes zu ergreifen. Die Spitzen-Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung haben deshalb Maßnahmen zu Stabilisierung der dualen Ausbildung erlassen. „Verlässliche Rahmenbedingungen für die duale Ausbildung sind in der jetzigen Krise elementar, wenn wir unsere Fachkräftebasis von morgen weiterhin sichern wollen“, teilte Bundesminister Peter Altmeier mit und fügte hinzu: „Mit einer Prämie für Betriebe, die Auszubildende aus insolventen Betrieben übernehmen, setzen wir einen wichtigen Impuls, damit Jugendliche bereits begonnene Ausbildungen auch in der Corona-Krise erfolgreich zum Abschluss bringen können.“

Nicht zu vergessen seien laut Integrationsministerin Annette Widmann-Mauz auch Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete. „Viele sind in der Hotel- und Gastronomiebranche beschäftigt oder in Ausbildung. Wir müssen alles daransetzen, dass die erreichten Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration nicht zurückgeworfen werden“, erklärte Widmann-Mauz. Die Warnungen seitens der Bundesregierung, sowie Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften kamen schon zum Frühjahr. Dementsprechend müssen die Maßnahmen zügig und effektiv eingeleitet werden.