Wohin mit dem ganzen Atommüll?

In zwei Jahren soll Ende 2022 in Deutschland der letzte Atomkraft-Meiler vom Stromnetz gehen. Doch es gibt noch ein großes Problem: Was passiert mit dem Atommüll. Keiner will ihn bei sich in der Nähe.

In Deutschland ist Gorleben als Endlager für Atommüll Geschichte. Die Protestbewegung feiert damit einen großen Erfolg. Das löst aber nicht das Problem, dass mit dem Ende der Atomkraft in Deutschland auf uns zukommt: Kein Land der Erde will den Atommüll lagern. Dabei geht es darum, rund 1.900 Behälter und 27.000 Kubikmeter irgendwo unterzubringen, wo es geologisch sicher ist. Komplette Ratlosigkeit herrscht bei der Frage, wohin der Müll jetzt gebracht werden soll. Bis ein Ort als sicheres Endlager in Betracht kommt, muss es eine Reihe von Hürden nehmen: mehr als 500 Jahre soll der strahlende Müll dort lagern. Doch dieses Problem hat Deutschland nicht allein. Auch andere Länder mit Atommeilern sind noch nicht erfolgreich bei der Suche nach einem Endlager gewesen.

Die Suche dafür erfolgt wissenschaftsbasiert und neutral – so wird es zumindest kommuniziert, doch es fällt schwer, wie sonst auch bei einer überhitzten und stark politisierten Debatte. Die Suche beginnt von Neuem mit einer sogenannten „weißen Landkarte“. Damit kämen immer noch 54 Prozent von Deutschlands Landschaft in Betracht. Bayern ist jetzt wieder im Rennen um ein Atommüll-Endlager. Ministerpräsident Markus Söder ließ verlauten, dass man sich dem Suchprozess nicht verschließen wolle. Somit stehen im Freistaat beinah 42.000 Quadratkilometer zur Verfügung, welche darauf geprüft werden können, ein Endlager zu werden. Bayern ist damit flächenmäßig der Spitzenreiter. Zudem bietet Bayern auch die passenden Wirtsgesteine wie Salz, Ton und Granit, welche garantieren, dass der Atommüll über die unendlich lange Zeit von einer Million Jahren sicher verwahrt ist. Damit er zumindest jetzt sicher gelagert ist, ist der 300 Grad heiße Atommüll in robusten Behältern untergebracht, die auch einen Flugzeugabsturz überstehen würden.  So wurde getestet, ob der Deckelbereich eines Behälters den Aufprall einer Triebwerkswelle übersteht.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) beschränkt sich dabei nicht nur auf Salzstöcke und Minen, sondern zieht auch Betonbunker und spezielle Container in seine Überlegungen hinzu. Um die Suche effektiver zu gestalten, soll bei einer Phase 2 der Suche gebohrt und gemessen werden und in der Phase 3 ein Erkundungsbergwerk installiert werden. Das Ende der Suche ist auf den 2031 terminiert, 2050 soll das Endlager dann seinen Betrieb aufnehmen. Das letzte Wort über die Standort-Entscheidung hat der Bundestag.

300 Meter Gestein muss sich zwischen dem gelagerten Müll und der Erdoberfläche befinden, ist die Bedingung, welche die BGE an den Endlager-Standort stellt. Bergwerke müssen dann auch auf weitere Risiken wie zum Beispiel vulkanische Aktivitäten oder Erdbeben untersucht werden. Auch die Situation des Grundwassers in der Region und die Besiedlung spielt eine Rolle bei der Entscheidung. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung veröffentlichte den „Zwischenbericht Teilgebiete“: eine erste, sehr grobe Auswahl von 70, 80, vielleicht 90 Gebieten, deren Untergrund sich für ein Endlager eignen könnte.

Warum ist der Salzstock in Gorleben überhaupt aus dem Raster gefallen? Es gäbe hier keine „günstige Gesamtsituation“, welche für eine Auswahl als Endlager spricht. So sind geologische Mängel vorhanden wie ein nicht intaktes Deckgebirge und Probleme bei der Gewässerchemie. Politischer Druck der Protestbewegung habe hingegen nicht dafür gesorgt, dass Gorleben aus der Auswahl herausgefallen sei.

30 Jahre lang kämpfte die Protestbewegung dafür, dass die Mängel des Salzstocks in Gorleben berücksichtigt werden. Die Auswahl auf den Standort Gorleben fand hinter verschlossenen Türen statt und es gab Druck auf Wissenschaftler, die an den Studien zu Gorleben beteiligt waren.

So strahlt der radioaktive Müll noch oberirdisch in Lagerhallen und wartet auf den Tag X, an dem vielleicht ein Endlager gefunden wird und es unterirdisch weiterstrahlen kann. Besucher können in Gorleben nur nach einer Überprüfung durch das niedersächsische Landeskriminalamt in die Hallen. Zu politisiert ist die Situation und der Umgang der Regierenden mit den sehr teuren Überbleibseln des „billigen Stroms“. 113 Müllbehälter liegen in der Halle und werden ständig elektronisch überwacht. Die Behälter heißen Castor- oder HAW (Highly Active Waste-Behälter).

Leicht wird es nicht, in den kommenden zwanzig Jahren einen Konsens für einen neuen Standort zu finden. In der Zwischenzeit lagert der radioaktive Müll in sogenannten Zwischenlagern. Er wird beschützt von hohen Mauern, Sicherheitspersonal und Stacheldraht. Bisher wird der Abfall in Gorleben, Ahaus und in Lagern in Jülich und Lubmin zwischengelagert. Schon seit sieben Jahren gab es in Gorleben keine Erkundungsarbeiten mehr, da 2013 das Endlagersuchgesetz verabschiedet wurde. Schon seit 2011 werden dort keine neuen Ladungen Atommüll mehr nach Gorleben gefahren. Auch die in der Presse durch die Protestbewegung bekannt gewordenen „Castor-Transporte“ nach Gorleben wurden inzwischen eingestellt. Zudem lief die Wiederaufarbeitung von Brennelementen im Ausland 2005 aus. Der Bundestag beschloss das Standortauswahlgesetz bereits am 28. Juni 2013. 

Schon in zwei Jahren werden die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. Hintergrund der Entscheidung: die Explosion des Reaktors in Japan, Fukushima im Jahr 2011 führte dazu, dass Angela Merkel sofort acht von 16 Atomkraftwerken abschalten ließ. Zudem wurde der Atomausstieg für das Jahr 2022 beschlossen. Das ist überschaubar – im Gegensatz zu Zeitspannen für Halbwertzeiten wie Uran, welche viereinhalb Milliarden Jahre beträgt.

Gibt es noch Menschen in viereinhalb Milliarden Jahren auf der Erde? Ihren Atommüll jedenfalls schon.