Was steckt hinter dem Rücktritt von Bundesbank-Chef Weidmann?

Der Zeitpunkt seines Abgangs kommt überraschend, dennoch stellt sich die Frage, ob Jens Weidmann sich am Ende einer gescheiterten Mission sieht oder der Druck aus den Reihen der EZB (europäische Zentralbank) zu groß geworden ist. Schließlich war Weidmann der einzige Mahner, dem das ewige Gelddrucken und der Ankauf von Staatsanleihen überschuldeter Länder mächtig gegen den Strich ging. Wollte er nicht am Ende verantwortlich sein, dass die Inflation mit mittlerweile 4,1 Prozent den Deutschen das tägliche Leben immer schwerer macht und dass die Niedrigzinspolitik der EZB den Sparern ein letztes Refugium für private Rücklagen genommen hat?

10 Jahre an der Spitze einer Finanzinstitution wie der Bundesbank bedeuten sicherlich viel Stress und Anfeindung, aber auch eine Menge Verantwortung für die ökonomische Entwicklung eines ganzen Landes und einer führenden Wirtschaftsnation. Kann es sein, dass Jens Weidmann für sich persönlich die Reißleine zum Jahresende gezogen hat und mit dem Regierungswechsel dem Neuanfang auch auf seiner Position eine Chance geben wollte? Als Hüter des Euros und als Gegenpol zu einer Europäischen Zentralbank, die offenbar kein Maß und keine Verantwortung für einen Kontinent und dessen Bürger:innen kennt. Denn eine „Schulden-Union“, eine Super-Inflation und ein zerstörerischer Minus-Zins sind nicht die Indikatoren für Aufbruch und Aufschwung, sondern Wegweiser in die Vernichtung von Sparguthaben und der Ignoranz von gefährlichen ökonomischen Entwicklungen. Bis hin zur Geldentwertung und zur Vernichtung ganzer Zahlungssysteme und Währungen. Wem will man es verdenken, wenn die Erkenntnis mehr und mehr gereift ist, dass irgendwer irgendwann die Verantwortung für den finanz-politischen Abstieg übernehmen muss, und deshalb der Kapitän das sinkende Schiff verlässt. Ein Abschied im Guten, mit der Einwilligung von Frank-Walter Steinmeier, dem Bundespräsidenten.

„Seine Warnrufe werden nun fehlen“, warnt Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer, wenn es darum geht, der EZB die Stirn zu bieten. Denn es ist zu befürchten, dass die EZB-Politik der niedrigen Zinsen nun weiter fortgeführt wird und deutschen Sparer:innen das Leben weiter schwer gemacht wird. Jetzt, in der Inflations-Krise einen wichtigen Pfeiler eines starken Euros und einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion zu verlieren, könnte ein Wendepunkt sein und die Inflation weiter befeuern. Mit der Immobilienblase und völlig überteuerten Preisen für Eigentum und Mietobjekte, entzieht man den Menschen eine stabile Lebensgrundlage und verwehrt ihnen den Aufbau solider Rücklagen in das beliebte Betongold. Auch FDP-Chef Lindner warnt nach dem überraschend angekündigten Rücktritt von Jens Weidmann vor einem Kurswechsel: „Die Deutsche Bundesbank muss weiter Anwältin einer stabilitätsorientierten Geldpolitik in Europa bleiben“, sagte Lindner. Auch seiner Partei käme eine besondere Verantwortung in dieser Situation zu, um die Geldwertstabilität weiterhin zu gewährleisten. Als zukünftiger Finanzminister hätte Lindner Gelegenheit, Einfluss zu nehmen und mitzureden.

Dass Jens Weidmann in der Inflations-Krise aufgibt, wie die Boulevard-Presse schreibt, mag die Sache im Kern richtig bewerten, lässt aber auch viel an Resignation durchklingen. Aufgeben kann man, wenn man sich einem übermächtigen „Gegner“ unterlegen fühlt, oder sich nicht mehr in der Lage sieht, eigene Ziele zu erreichen, um eine Mission oder Vision ans Ziel zu bringen. Die schöne Formulierung von Weidmann, der aus „persönlichen Gründen“ abtritt, ist mehr eine Floskel als eine Begründung. Er wolle sich neuen Herausforderungen widmen und ein neues Kapitel aufschlagen, wie er seinen Mitarbeiter:innen in einem Rundbrief schrieb. Ein Abschied ohne Wehmut, aber auch als Befreiung und als Chance zu bewerten. Wer auf Weidmann folgen soll, ist noch unklar. Im Raum stehen Namen wie der von Claudia Buch als Vize-Präsidentin der Deutschen Bundesbank oder Isabel Schnabel als Mitglied im EZB-Direktorium oder Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.